Akut infiziert oder schon Antikörper im Blut? Studien geben Auskunft darüber, wie sich das Coronavirus Kindern gegenüber verhält.

Foto: Imago

In Österreich dürften laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) Schulen und Kindergärten bei der Verbreitung des Coronavirus bisher keine wesentliche Rolle gespielt haben. Von 541 Clustern wurden nur sechs dem Setting Schule/Kindergarten zugeordnet (jeweils drei). "Auf Basis der uns vorliegenden Daten gibt es keinen Hinweis, dass Kinder die 'Driver' der Epidemieverbreitung in Österreich sind", sagte AGES-Infektionsepidemiologin Daniela Schmid der APA. Ende letzter Woche wurden insgesamt 541 Cluster verzeichnet, denen 6.543 der insgesamt 17.189 Corona-Infektionen zuordenbar sind.

Die Schulen sind in Österreich nach wochenlangen Schließungen ab Mai stufenweise wieder geöffnet worden, die rund 700.000 Pflichtschüler sind vor gut einem Monat wieder in die Klassen zurückgekehrt. Seither findet Unterricht im Schichtbetrieb und unter Einhaltung von Abstandsregeln statt, auch die Kindergärten werden wieder stärker besucht. Der befürchtete Anstieg an Fällen ist bisher allerdings ausgeblieben. "Wir haben bis dato in Schulen oder Kindergarten keine 'superspreading events' registriert", so Schmid. Die Daten der AGES beziehen sich auf die Phase vor dem Lockdown und auf die Phase, in der die schrittweisen Lockerungen erfolgten.

Von den drei Schul- und drei Kindergartenclustern war laut Schmid nur bei einem der drei Schulcluster ein Schüler der "Quellenfall", wobei von diesem nur vier Folgefälle ausgegangen sein dürften. Bei den anderen fünf Kindergarten/Schul-Clustern wurden Familienmitglieder oder Pädagogen als wahrscheinliche Quelle des Virus-Eintrags identifiziert.

Neue Studie

Da es, was das Coronavirus bei Kindern betrifft, noch viele Unbekannte gibt, läuft eine Reihe von Untersuchungen, um offene Fragen zu klären. Im Rahmen der Studie C19-Child des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) werden 6.000 gesunde und chronisch kranke Kinder und Jugendliche im Alter von null bis 18 Jahren auf die Häufigkeit und Schwere einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus untersucht.

Rund sechs Wochen nach dem Studienstart liegen nun erste Zwischenergebnisse der Studie vor: Bei 3.107 Probanden konnte kein Virus im Nasen-Rachen-Abstrich per PCR nachgewiesen werden, bei 2.436 Kindern und Jugendlichen wurde ein Antikörpertest in Bezug auf Sars-CoV-2 durchgeführt, 36 Kinder und Jugendliche waren positiv. "Erste Auswertungen zeigen, dass nur 1,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen Antikörper gebildet haben und wir weit von einer Herdenimmunität entfernt sind", sagt Ania C. Muntau, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE.

Für eine erste Studienphase im Zeitraum vom 11. Mai bis 5. Juni wurden zunächst Daten zur Häufigkeit von Covid-19-Infektionen bei gesunden und chronisch kranken Kindern und Jugendlichen ausgewertet. Bei den Kindern und Jugendlichen wurde ein Nasen-Rachen-Abstrich durchgeführt, um festzustellen, ob eine akute Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus vorliegt. Außerdem wurde eine Blutentnahme zur Bestimmung von Antikörpern gegen das Virus angeboten, um zu prüfen, ob der Proband sich bereits mit dem Virus auseinandergesetzt hat. Bisher liegen 3.107 Nasen-Rachen-Abstriche und 2.436 Antikörperbefunde vor.

Frage der Antikörper

Bei 36 von 2.436 Kindern konnten Antikörper im Blut nachgewiesen werden, dies entspricht bei Berücksichtigung der Genauigkeit des Tests und der Größe der Studienkohorte 1,2 bis 1,5 Prozent. Keines der bis zum 6. Juni untersuchten Kinder hatte einen positiven Nasen-Rachen-Abstrich, somit lag bei keinem der Teilnehmenden eine akute Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus vor. "Daraus können wir schlussfolgern, dass die Lockdown-Maßnahmen für die Kinder und Jugendlichen in Hamburg erfolgreich waren", erklärt Muntau.

Auffällig ist, dass die positiv getesteten Kinder im Schnitt älter als der Durchschnitt der Studienkohorte sind. Wenn man die Kohorte in zwei Gruppen teilt, ergeben sich in der Altersgruppe von null bis neun Jahren ein Prozent positive Antikörpernachweise und in der Altersgruppe von zehn bis achtzehn Jahren zwei Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, einen positiven Antikörpertest zu haben, steigt bei den Kindern der C19-Child-Studie mit zunehmendem Alter, und zwar mit jedem Lebensjahr um acht Prozent.

Zur Risikogruppe

Unter den Probanden waren 964 Kinder und Jugendliche mit chronischen Vorerkrankungen, davon beispielsweise 300 Kinder mit einer onkologisch-hämatologischen Erkrankung, 200 mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems, 150 mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie 150 mit Nierenerkrankungen. "Interessanterweise sehen wir einen Unterschied in der Häufigkeit des Antikörpernachweises zwischen den beiden Gruppen mit und ohne Vorerkrankungen – bei Kindern mit Vorerkrankungen ist es ein Prozent, bei Kindern ohne Vorerkrankungen 1,7 Prozent. Warum das so ist, werden wir im weiteren Verlauf untersuchen", erklärt Muntau.

Die positiv getesteten Kinder werden nun in einer Follow-up-Phase über einen Zeitraum von sechs Monaten begleitet. Bei den 36 positiv getesteten Kindern und Jugendlichen wurden die Untersuchungen auf 15 Geschwisterkinder und 91 erwachsene Personen aus dem gleichen Haushalt ausgeweitet, um mögliche Übertragungswege nachzuvollziehen. Ebenso sollen im weiteren Studienverlauf die immunologischen und biochemischen Folgen der Interaktion des Virus mit dem kindlichen Immunsystem erforscht sowie Risikogruppen unter chronisch kranken Kindern identifiziert werden. (red, idw, 22.6.2020)