Es wäre verfrüht, sich nun schadenfroh die Hände zu reiben.

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Würden die USA heute einen Präsidenten wählen, dann würde der Sieger Joe Biden heißen. Er führt die aktuellen Umfragen mit einem Vorsprung von rund zehn Prozentpunkten an. Daran wird wohl vorerst auch der umstrittene Wahlkampfauftakt Donald Trumps am Wochenende in Tulsa nichts ändern. Der US-Präsident ignorierte Warnungen der Gesundheitsbehörden und wählte inmitten massiver Antirassismusproteste mit Tulsa einen Ort, der in den 1920er-Jahren Schauplatz eines Massakers an Schwarzen war. Obwohl am Samstagabend viele Plätze frei blieben, sprach Trumps Kampagnenteam von der "epischsten" Rallye aller Zeiten.

Sich nun schadenfroh die Hände zu reiben, ist aber verfrüht. Tulsa mag nicht "episch" gewesen sein, Trumps Strategie kann aber aufgehen. Er setzt einerseits weiter darauf, seine eigene Klientel – etwa ein Drittel des Wahlvolks – zu mobilisieren, indem er sich durchwegs zum Opfer stilisiert. Andererseits versucht er, Biden derart zu diskreditieren, dass viele Wählerinnen und Wähler aus Frust über die miese Auswahl im November lieber zu Hause bleiben. So hat er Hillary Clinton 2014 besiegt, so könnte es auch 2020 mit Biden klappen, trotz fataler Managementbilanz bei Corona und Polizeigewalt. Geht die Rechnung auf, dann liegt das auch daran, dass Bidens Wahlkampf medial kaum Widerhall findet. Trump gibt den Ton an, selbst wenn er hauptsächlich Misstöne produziert. (Manuela Honsig-Erlenburg, 21.6.2020)