Helga Schubert (80) hat in Klagenfurt Jury und Publikum überzeugt.

Foto: ORF HANDOUT

1980 hätte Helga Schubert das erste Mal am Bachmannpreis teilnehmen sollen. Zwei Jahre zuvor hatte allerdings der DDR-Autor Ulrich Plenzdorf dort gewonnen und war nicht gerade konform aufgetreten. Das Regime fürchtete eine neuerliche Blamage und verweigerte ihr die Ausreise mit dem Grund, es gebe keine "deutsche Literatur" und der Juryvorsitzende Marcel Reich-Ranicki sei Antikommunist. Genaueres konnte die Autorin nach der Wende in ihrer Stasi-Akte nachlesen.

Es gehört zu den Inkonsistenzen der DDR, dass Schubert sieben Jahre später als Jurorin an den Wörthersee reisen durfte. Sie sollte, so wollte es der Schriftstellerverband der DDR, die Texte ihrer Landsleute hochloben. Tatsächlich zeigte sie sich aber sehr fair und freundlich zu allen. Wenn sie darin zu weit ging, legte ihr ein vom Staat mitgesandter Aufpasser die Hand bremsend auf die Schulter.

Nun also die geglückte Teilnahme als Autorin. Einiges zu ihrer Person verrät bereits Schuberts autobiografischer Siegertext Vom Aufstehen, wie dass sie 1940 in Berlin-Kreuzberg geboren wurde. Der Vater fiel im Krieg, die Mutter floh mit dem Kind, so landeten sie in Ostberlin. Ab 1958 studierte sie Psychologie und war auf diesem Gebiet bis 1987 tätig. Parallel begann sie Anfang der 1960er zu schreiben. In Prosa und Lyrik setzte sie sich mit dem Leben in der DDR auseinander, weswegen sie ab 1976 von der Staatssicherheit observiert wurde. Sie erhielt dafür 1982 auch den Hans-Fallada-Preis aus der BRD, den sie erst nach der Wende physisch empfing.

Politik mit Büchern

1990 wollte die CDU sie schon als Kandidatin für kommunale Wahlen, das wollte Schubert aber nicht. Stattdessen schrieb sie – von der Historie angetrieben – weiter. 1994 erschien Die Andersdenkende über die Zeit rund um den Zusammenbruch der DDR, für manche ältere Texte darin hatte sie einst keine Druckerlaubnis bekommen. In Das gesprungene Herz schilderte Schubert das Leben nach dem Schreckensstaat, nahm aufatmende Menschen und die (geistige) Öffnung zum Ausland in den Blick. Die Welt da drinnen handelte 2003 basierend auf Akten von Patienten in psychiatrischen Kliniken der Nazis.

Dann wurde es ruhig um die Autorin. Ihre Bücher sind meist vergriffen. In Mecklenburg betreibt sie eine kleine Galerie für Gemälde ihres Mannes, die auch als Ort für Lesungen dient. Nach ihrer Lesung hätte eine Agentur Kontakt zu ihr aufgenommen: Von einem neuen Buch hat sie schon mehrere Hundert Seiten. (Michael Wurmitzer, 21.6.2020)