Dass gerade ein Betrieb wie Tönnies, dem immer wieder schlechte Arbeitsbedingungen vorgeworfen werden, zum Covid-Cluster wird, ist kein Zufall.

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Nehmen wir einfach die Käsekrainer. Die beliebte Wurst gibt es im Onlineshop einer großen heimischen Supermarktkette in mehrfacher Ausführung. Kauft man die Eigenmarke, zahlt man für ein Kilogramm 6,74 Euro. Greift man zur Markenversion eines großen Wiener Betriebs, zahlt man mit 13,30 Euro schon fast das Doppelte. Entscheidet man sich für die Bio-Eigenmarke des Supermarkts, muss man 15,12 Euro hinblättern. Und liegt einem das Tierwohl wirklich am Herzen, sodass man ein fleischloses oberösterreichisches Ersatzprodukt aus Kräuterseitlingen und Reis in das Einkaufswagerl legt, kommt der Kilopreis auf wohlfeile 28,06 Euro.

Was dieser Preisvergleich mit Covid-19 zu tun hat? Einiges. Denn dass beim Fleischkonzern Tönnies im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen mindestens 1300 von 6500 Beschäftigten mit dem Erreger Sars-CoV-2 infiziert sind und ein Stadtteil, in dem viele Tönnies-Beschäftigte leben, unter Quarantäne gestellt werden musste, ist kein Zufall.

Steht das Unternehmen doch schon seit Jahren in der Kritik: für die Beschäftigung von Subunternehmen, die osteuropäische Arbeitskräfte ausbeuten und diese Billiglohnkräfte in Sammelunterkünfte pferchen, wo mehrere 100 Euro Miete gezahlt werden müssen – pro Bett.

Beengte Verhältnisse daheim und in der Fabrik

Beengte Verhältnisse daheim und in der Fabrik: Das freut das Virus, kann es so doch leicht neue Wirte finden. Ähnliche Umstände dürften auch bei der Bildung der Covid-19-Cluster in Verteilzentren der heimischen Post in Niederösterreich und Wien eine wichtige Rolle gespielt haben. Dass es unter Erntehelfern bisher zu keinem größeren Ausbruch gekommen ist, dürfte einfach nur Glück sein.

Wobei einschränkend festgestellt werden muss, dass der Erreger an sich natürlich ein großer Gleichmacher ist. Schließlich sorgte in Salzburg in der Vorwoche offensichtlich ein "Superspreader" bei einem Rotary-Club-Abend, an dem erfahrungsgemäß eher keine Mindestlohnempfänger teilnehmen, dafür, dass mittlerweile über ein Dutzend Personen infiziert sind.

Der Unterschied: Während die Rotarier sich freiwillig versammelten, haben die Arbeitnehmer oft wenig Auswahl. Daran kann man den Konsumentinnen und Konsumenten die Schuld geben, die wollen Produkte ja so billig wie möglich. Oder den Unternehmern, wofür im Fall Tönnies einiges spricht – fordert doch mittlerweile sogar der Hälfteeigentümer und Sohn des Gründers den Rücktritt seines Onkels aus der Geschäftsleitung. Oder dem Staat, der die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht ausreichend kontrolliert.

Alle Gruppen tragen Mitschuld

In Wahrheit tragen alle Gruppen ihr Scherflein dazu bei, dass Menschen unter gefährlichen Bedingungen für (zu) wenig Geld arbeiten müssen. In normalen Zeiten interessiert das halt nur mäßig. Wenn aber plötzlich – wie in Nordrhein-Westfalen angedacht – die Quarantäne für hunderttausende Menschen droht, stellt sich heraus, dass man doch daran denken sollte, wie es dem oder der Nächsten so geht.

Denn, um auf die Käsekrainer zurückzukommen: Dass die Bio-Ausgabe deutlich mehr als doppelt so viel kostet als die Eigenmarke, lässt natürlich Rückschlüsse zu, unter welchen Bedingungen für Mensch und Tier die Würste jeweils produziert werden. Und als Konsument sollte man anhand dieser Schlüsse sein Kaufverhalten zumindest überprüfen. (Michael Möseneder, 22.6.2020)