Wer einen Urlaub am Meer frühzeitig gebucht hat, kann jetzt nach dem neuen Pauschalreisegesetz in den meisten Fällen stornieren.

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Viele Österreicher freuen sich auf ihren Urlaub und haben zur Sicherheit diesmal einen Aufenthalt im Heimatland gebucht. Doch was sollen jene tun, die bereits eine Pauschalreise gebucht haben und im Reiseziel immer noch eine erhöhte Gefahr besteht, wie in der Türkei oder in Spanien? Zwar wollen die dortigen Hoteliers ihre Betriebe offen halten und ihre Leistung erbringen. Doch wenn es wegen der lokalen Infektionsgefahr oder wegen einer nach wie vor bestehenden Gefahr auf dem Anreiseweg zu einem Rücktritt kommt, muss der Veranstalter dem Kunden sämtliche Kosten refundieren.

Höhere Gewalt in Form von Naturkatastrophen, Terror oder Infektionskrankheiten war schon bisher ein Grund für den Rücktritt von Reisen. Wenn der Reisende zum Zeitpunkt der Buchung nichts von den Problemen ahnen konnte, konnte er sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Dieser macht den Vertrag nicht unwirksam, aber anfechtbar und kann vor Gericht mittels Klage oder Einrede durchgesetzt werden.

Doch Vorsicht, nur weil es Einschränkungen vor Ort gibt (Abstandsvorschriften, wenige verfügbare Strandplätze, höhere Kosten für Liegestühle, geschlossene Bars) und das Angebot eingeschränkt wird, ist ein Rücktritt nicht möglich; allenfalls kommt aber die Minderung des Entgelts in Betracht, wie es auch in anderen Fällen des Reiserechts der Fall ist, wenn Zusagen nicht eingehalten werden können oder sich die ruhige Suite als Baustellenausblick entpuppt. Auch ein Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude kommt im Zusammenhang mit der Pandemie nicht in Betracht.

OGH-Judikatur und neues Pauschalreisegesetz

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dieses Rücktrittsrecht schon im Zusammenhang mit der Sars-Epidemie in China ausjudiziert (OGH 4 Ob 103/05h) und grundsätzlich bejaht; wenn der Veranstalter bei einer lokalen Infektionsgefahr die Möglichkeit einer anderen, ungefährlichen Rundreise anbot, konnte sich der Reisende hingegen nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Nach der neuen EU-Reiserichtlinie, die in das Pauschalreisegesetz (PRG) mündete, könnte aber der Rücktritt trotz Angebots einer Alternativroute zulässig sein. Noch dazu gelten bei Covid-19 andere Kriterien, weil die Infektion auch lokal wieder aufflammen kann.

Wenn der Reisende schon bei Buchung um die Gefahr weiß oder die Umstände des Rücktritts in seiner Sphäre liegen, kommt der Rücktritt nicht in Betracht; das gilt etwa wenn der Vertragspartner in Quarantäne steht oder selbst erkrankt. Die Gefahren dürfen erst nach dem Vertragsabschluss eingetreten sein, damit die Voraussetzung der "mangelnden Vorhersehbarkeit" erfüllt ist; wer jetzt im Juni einen Spanienurlaub bucht, wird schwer argumentieren können, von den Erkrankungszahlen vor Ort nichts gewusst zu haben.

Keine Stornokosten für Frühbucher

Hingegen war für Frühbucher im Jänner oder Februar, als Europa noch nicht von hohen Ansteckungszahlen betroffen war, die Gefahr bei einem Urlaub in der iberischen Region oder an der Adria nicht absehbar. Falls der Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgt und die Voraussetzungen (aktuelle Gefahr vor Ort, Nichtvorhersehbarkeit) vorliegen, sind keine Stornokosten zu entrichten. In Einzelfällen wird es strittig sein, ob die Infektionsgefahr vor Ort beziehungsweise an einem wichtigen Reiseknotenpunkt des Anreisenden besteht.

Während die österreichische Regierung keine Bedenken bei innerösterreichischen Reisen äußerte, hat der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn am 16. Juni verlautbart, dass sich jeder Deutsche gut überlegen sollte, ob er eine längere Bahnfahrt in Kauf nehmen will. Spahn wies auch auf das Urlaubsverhalten vor Ort hin, das den Risiken anzupassen wäre, und erwähnte ausdrücklich den Tiroler Ort Ischgl, aber auch den "Ballermann" in Mallorca. Daher könnte eine solche Aussage auch als Reisewarnung für unsere Nachbarn anzusehen sein, in Touristen-Hotspots wie Velden am Wörthersee zu reisen. Diese Warnung gilt auch für Reisende, die über eine Drehscheibe anreisen müssten, an der sich womöglich ein neuer Infektionscluster bildet.

Entschädigungspauschalen statt Stornotabellen

Die Rechtslage nach dem Pauschalreisegesetz hat Neuerungen für die Berechnung von Stornokosten gebracht, die anfallen, wenn ein kostenfreier Rücktritt nicht in Betracht kommt. Eine Rücktrittsentschädigung gebührt dem Veranstalter, wenn er nicht mehr zeitgerecht umdisponieren kann, das heißt, Reise, Ausflüge oder Zimmer nicht mehr an andere Gäste vergeben kann.

Schon früher gab es die Möglichkeit, gegen Bezahlung von Stornogebühr von einer Reise zurückzutreten, die sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Reiseveranstalters und nach den Allgemeinen Reisebedingungen (ARB 1992) mit prozentuellen Richtwerten richtete. Wie die Reiserechtsexperten Bammer/Treu festhalten, ist auch die konkrete Berechnung des Reisepreises abzüglich Ersparnis und anderweitigen Erwerbs möglich. Bei Pauschalentschädigungen kommt aber nunmehr die Rücktrittsentschädigung zum Zug. Hier muss künftig eine Durchschnittskalkulation angestellt werden, die von Zeitpunkt des Rücktritts, Kategorie, Preisklasse und Ersparnis des Veranstalters abhängig ist.

Bezirksgericht Schwechat und Flughafen

Falls über Pauschalreiseverträge gestritten wird, richten sich der Gerichtsort und das Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Konsumenten. Wenn der Unternehmer seine geschäftliche Tätigkeit auf Österreich ausrichtet, gilt das auch für alle ausländischen Reiseveranstalter. Bucht ein Österreicher daher bei einem deutschen Anbieter, gilt für ihn heimisches Recht. Anders ist es, wenn nur ein Beförderungsvertrag (Flug) gebucht wird. Hier sind Sitz des Beförderers oder der Erfüllungsort maßgeblich. Laut Rechtsprechung ist das Gericht des Abflugortes bei Buchung des Flugs bei einer ausländischen Fluglinie oder via Reisebüro zuständig (EuGH 26.3.2020, C-215/215/18). Somit kann man beim Bezirksgericht Schwechat Klagen betreffend jene Flüge einbringen, die in Wien ankommen oder von hier abfliegen. (Gerhard Strejcek, 22.6.2020)