Einer der bedeutendsten Triestiner des 19. Jahrhunderts war ein Zuzügler. Denn geboren wurde Pasquale Revoltella am 16. Juni 1795 in Venedig. Während der Stern der "Serenissima" bereits gesunken war, stand Triest im Begriff, zum wichtigsten österreichischen Seehafen aufzusteigen. So entschloss sich sein Vater, der Fleischhauer Giobatta Revoltella, mit seiner Familie 1796 dorthin zu übersiedeln. Auch in Triest, dessen Aufschwung durch die Erhebung zum Freihafen 1719 eingeläutet worden war, ging Vater Revoltella seinem erlernten Handwerk nach. Für dieses zeigte sein Sohn jedoch offenbar wenig Interesse.

Die Bilderbuchkarriere des Magazineurs

Pasquale begann als junger Bursche für ein Handelshaus als Magazineur zu arbeiten. 1816 wechselte er zu einem kaufmännischen Unternehmen, das von drei Schweizern betrieben wurde. Als der eidgenössische Konsul Teodoro Necker 1827 Alleineigentümer wurde, machte er Revoltella zu seinem Prokuristen. Bald schien für diesen die Zeit gekommen, sich auf eigene Beine zu stellen: 1835 gründete er mit einem Startkapital von 30.000 Gulden eine eigene Firma. Er handelte mit Holz sowie Getreide, später auch mit Zucker, die Geschäfte liefen gut, und die Kassen füllten sich.

J. Kriehuber: Pasquale Revoltella. Lithografie, 1839.
Foto: Bildarchiv Austria

Obschon aus einfachen Verhältnissen stammend, erhielt der talentierte und autodidaktisch gebildete Revoltella bald Zutritt zum exklusiven Casino Vecchio. Der mit kaufmännischem Instinkt ausgestattete junge Mann hatte früh bei mehreren Triestiner Schlüsselunternehmen seinen Fuß in der Tür, so bei den Assicurazioni Generali und dem Österreichischen Lloyd. In beiden bekleidete er in der Folge zentrale Posten. Allmählich trat der Händler in den Hintergrund, während der Investor beziehungsweise Bankier sein Vermögen geschickt vermehrte. Dabei hielt er nach mehreren Richtungen Ausschau: Einerseits stellte er früh enge Kontakte zur Wiener Finanzwelt her, andererseits legte er sein Geld auch im Veneto an und beteiligte sich an mehreren von den österreichischen Behörden eingeleiteten Infrastrukturprojekten. Unter den zahlreichen Industriebetrieben, an denen Revoltella größere Anteile hielt, ist der Stabilimento Tecnico Triestino besonders hervorzuheben, der zu einer der größten Werften der Monarchie avancierte.

Profit, Politik – und viele Pläne

Revoltella war bestens vernetzt, vor allem seine Freundschaft zu dem späteren Minister Karl Ludwig Freiherr von Bruck war hier von Bedeutung. Bei einem wirtschaftlichen "Player" von Revoltellas Format verwundert es nicht, dass er auch den Weg in die Politik fand, konkret im Revolutionsjahr 1848, in welchem er auf die regierungstreue Karte setzte. So entsandte man ihn damals nach Innsbruck, um den Kaiser der unverbrüchlichen Loyalität der "urbs fidelissima" zu versichern. Revoltella wurde ins Stadtparlament gewählt, wichtige Funktionen hatte er zudem an der Börse inne.

Es war vor allem die Stadt Triest, der er sich verbunden fühlte und deren Prosperität sein primäres Augenmerk galt. Diese sah der kaisertreue Revoltella unter den Fittichen des Doppeladlers am besten gewährleistet, während er der italienischen nationalen Einigungsbewegung gleichgültig gegenüberstand. Dabei verlor er nicht den Blick für die größeren Zusammenhänge, wie etwa seine Broschüre "Oesterreichʼs Betheiligung am Welthandel" (1863) zeigt. Diese zog die Einrichtung eines eigenen, nach ihm benannten Komitees nach sich, das die darin aufgeworfenen Fragen diskutierte. In Revoltellas Analyse spielt der in Bau befindliche Suezkanal eine zentrale Rolle, ihn sieht er als einmalige Chance für die Ausweitung des österreichischen Fernhandels.

A. Guesdon: Trieste. Vue prise au-dessus du Lazaret Neuf. Lithografie, um 1855.
Foto: Bildarchiv Austria

Entschiedener und entscheidender Förderer des Suezkanals

Der "Durchstich des Isthmus" und die dadurch geschaffene Verbindung zwischen Mittel- und Rotem Meer würde, so Revoltella, Österreich ungeahnte Vorteile bringen. Es war diese Überzeugung, die ihn von Beginn an zu einem Förderer des Mammutprojekts werden ließ. Doch war es ein weiter Weg von der Gründung der Société d'Études du Canal de Suez 1846 in Paris, an der Revoltella gemeinsam mit dem Ingenieur und späteren Chefplaner des Kanals, Alois Negrelli, teilnahm, bis zum Baubeginn 1859. Ferdinand de Lesseps, in den Folgejahren die treibende Kraft hinter dem Vorhaben, benötigte einflussreiche Lobbyisten und Finanziers. In beiden Rollen unterstützte ihn Revoltella maßgeblich und wurde Vizepräsident der Compagnie Universelle du Canal de Suez.

Um sich vom Fortschritt der Bauarbeiten zu überzeugen, brach er im Herbst 1861 gemeinsam mit Lesseps nach Ägypten auf. Nach Besichtigung der gigantischen Baustelle und diversen "Sightseeing"-Abstechern sowie einer Pilgerfahrt ins Heilige Land kehrte die Reisegesellschaft Anfang Februar 1862 an die Obere Adria zurück. Bald darauf ließ Revoltella sich von Tito Agujari porträtieren – als selbstbewusster, ordensbehängter Mann im Zenit seiner Karriere, der in seiner Linken einen Plan des Kanals hält. Nun war auch seine Reputation wiederhergestellt, die zwei Jahre zuvor erheblichen Schaden genommen hatte …

Unter Korruptionsverdacht

Auf die Person Revoltellas war nur einmal ein größerer Schatten gefallen: Ende 1859 wurden gegen Feldmarschallleutnant August Friedrich Freiherr von Eynatten Vorwürfe erhoben, dieser habe sich unter anderem im Zusammenhang mit der Lieferung von Ochsen an die in Italien stehende Armee im großen Stil bestechen lassen. In die Sache wurden auch Bruck und mehrere Unternehmer aus seinem Umfeld hineingezogen, darunter Revoltella, den man inhaftierte. In der Causa Eynatten wurde er zwar freigesprochen, doch hatte eine Prüfung seiner Bücher weitere Verdachtsfälle von Korruption zutage gefördert. Letzten Endes ließ man alle Anklagen gegen ihn fallen. Ob die herausragende wirtschaftliche Bedeutung Revoltellas, an dessen Ruin die Regierung kein Interesse haben konnte, dabei eine Rolle spielte, ist schwer zu sagen. Der Korruptionsskandal fügte ihm jedenfalls einen herben persönlichen Verlust zu: Nachdem sich Eynatten im März 1860 in der Untersuchungshaft erhängt hatte, nahm sich wenige Wochen später auch Revoltellas Freund und wichtigstes Bindeglied in die Reichshaupt- und Residenzstadt, Karl Ludwig von Bruck, das Leben – obschon ihm später keine Schuld nachgewiesen werden konnte.

Revoltellas Vermächtnis

In die Geschichte und konkret ins Stadtbild Triests hat sich Revoltella vor allem als Mäzen eingeschrieben. In seinem Testament vermachte der eingefleischte Junggeselle sein 1858 fertiggestelltes Stadthaus sowie die Sommerresidenz in den Hügeln über Triest der Allgemeinheit. Sein prächtiges Palais in Hafennähe sollte fortan als Museum fungieren, so sein letzter Wille. Dies war die Geburtsstunde des heutigen Museo Revoltella – Galleria d'Arte Moderna. Mit großzügigen Legaten bedacht wurden in dem Testament verschiedene kirchliche und soziale Einrichtungen. Bereits zu Lebzeiten war er der bedeutendste Wohltäter der Stadt, der wichtige Initiativen im sozialen, künstlerischen und Infrastrukturbereich setzte: So gründete er etwa 1850 die Scuola triestina di disegno (das heutige Istituto Tecnico Statale Alessandro Volta) ebenso wie das nicht mehr erhaltene Teatro Armonia.

Revoltellas Sommerresidenz, das Chalet im heutigen Giardino di Villa Revoltella in Triest.
Foto: H. Bergmann

Seine letzte Ruhestätte fand der am 8. September 1869 verstorbene Revoltella in einer kleinen Gruft unter der seinem Namenspatron geweihten Kirche. Diese hatte er unweit seiner Sommervilla inmitten eines weitläufigen Parks errichten lassen. Neben seinem Sarkophag steht dort jener der Mutter, an der Wand prangt das Wappen (Galeeren, Möwen, in der Mitte ein Merkurstab), das ihm anlässlich seiner Erhebung in den Freiherrnstand 1867 verliehen worden war. Tritt man aus der Gruft, muss man nur wenige Schritte gehen, um den Blick über den Golf von Triest schweifen zu lassen. Nicht unwahrscheinlich, dass dieser auf einen Öltanker weit draußen fällt, der gerade darauf wartet, dass seine Fracht gelöscht wird. Vermutlich drei Tage zuvor hat er den Suezkanal passiert, zu dessen Eröffnung der Kaiser seinerzeit höchstpersönlich anreiste – knapp zwei Monate nach Pasquale Revoltellas Tod. (Hubert Bergmann, 25.6.2020)