Mitte Juni war es so weit: Die Wiener Polizei entdeckte die Ampel zwischen TU und der evangelischen Volksschule. Und plötzlich war, was jahrelang legal und richtig war, strafbar. Ein Anzeige- oder Organstrafmandatsgrund: Die Kreuzung über die Wiedner Hauptstraße quert ein Zebrastreifen und eine Radfahrerüberfahrt. Es gibt eine Ampel. An die hält man sich – auch als Radler: Hier sind Kinder. Rot: stehen. Grün: gehen oder fahren. Ganz klar.

Doch Mitte Juni stand dann die Polizei da, hielt Radfahrer an, die bei Grün fuhren – und strafte. 50 Euro bei Barzahlung, bei Anzeige mehr. Die Kasse klingelte: Bei Grün fährt man – und hier fahren viele.

Die Ampelmännchen

Das Delikt? Neben der Ampel hängt eine Stopptafel. Und wer genau schaut, sieht, dass die Ampel nicht Fußgänger und Radfahrer zeigt, sondern zwei "Ampelmännchen". Juristisch heißt das: zu Fuß gilt die Ampel, am Rad das Stoppschild. Ja, auch bei Grün. Unlogisch und lebensfremd, aber: "It's the law, stupid!" (Vor den Ampelmännchen waren hier übrigens Radfahrer und Fußgänger im Ampelglas.)

Damit nicht genug: Radfahrer, die bei Rot ohne Querverkehr standen, wurden – heißt es – ebenfalls beamtshandelt. Allerdings liegen dazu keine Belegmandate vor. Was sie falsch machten? Halten im Kreuzungsbereich ist verboten. Doch fährt man bei Rot – vor einer Schule! –, heißt es "Typisch Radfahrer!".

Sicherheit und Augenmaß

Rechtlich ist das wasserdicht. Aber sinnvoll? Macht es den Verkehr sicherer? Ist das Handeln mit Augenmaß? Während auf der ganzen Welt städtisches Radfahren attraktiver, sicherer und konfliktfreier gemacht wird, tut Wiens Exekutive das Gegenteil. Systematisch: Wer mit offenen Augen fährt, stößt in Wien permanent auf seltsame Amtshandlungen. Alle entsprechen – keine Frage – dem Buchstaben des Gesetzes. Doch mit Verkehrssicherheit, Gefahrenabwehr oder Augenmaß haben sie nichts zu tun. Sie sind nur eines: schikanös. (Thomas Rottenberg, 23.6.2020)