Als Artikel 13 sind die berüchtigten Uploadfilter im vergangenen Jahr bekannt geworden. Tausende gingen europaweit auf die Straße, weil sie befürchten, dass die Meinungsfreiheit im Netz in Zukunft eingeschränkt werden könnte. Die betreffenden Vorgaben der EU-Richtlinie werden im aktuellen Gesetzesentwurf noch nicht behandelt.

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Jahrelang arbeitete die Europäische Union an der Urheberrechtsreform, im vergangenen Jahr wurde sie dann abgesegnet – begleitet von europaweiten Protesten, denn viele der Passagen der durchgewunkenen Richtlinie sind umstritten. Bis 2021 haben Mitgliedsstaaten Zeit, sie umzusetzen. Das Justizministerium, das aktuell im Dialog mit Interessenvertretern steht, hat nun einen ersten Gesetzesentwurf zur Verfügung gestellt. Darin hat es allerdings noch nicht alle Punkte der EU-Richtlinie – Stichwort Uploadfilter – behandelt.

Neu sind mehrere rechtlich Ausnahmen. "Ein wesentlicher Kritikpunkt der Urheberrechtsreform war die mögliche Beschneidung der Meinungsfreiheit im Netz", erklärt der IT-Rechtsanwalt Markus Dörfler dem STANDARD. "Beispielsweise die Verbreitung von Parodien, Karikaturen und so weiter." Nun wird erstmals ein weit gefasstes Zitatrecht eingeführt. Auch dürfen Inhalte explizit digital zu Lehrzwecken eingesetzt werden. "Insgesamt gewährt der Entwurf der Bildung und Forschung viele Privilegien", so Dörfler, sowie auch kulturellen Einrichtungen.

Auch darf dem Text zufolge vom Urheber verlangt werden, dass er technische Schutzmaßnahmen für bestimmte Zwecke – beispielsweise zur Nutzung im Unterricht oder für Forschungszwecke – öffnet. "Der Schützende muss Maßnahmen ergreifen, die einen rechtlichen Zugang zu dem Werk gewährleisten", sagt der Jurist.

Rechtsdurchsetzung entscheidend

Allerdings macht das Ministerium mit seinem Entwurf vorerst einen Bogen um die umstrittensten Artikel der Copyright-Reform – allen voran den sogenannten Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht. So sieht die EU-Richtlinie vor, dass Onlineplattformen im Vorfeld Lizenzen von Rechteinhabern sichern müssen und zudem für die Verletzungen des Urheberrechts durch Nutzer haften. Uploadfilter, die das bereits im Voraus prüfen und die Veröffentlichung verhindern, sind zwar nicht ausdrücklich erwähnt, gelten aber als wahrscheinlichste technische Lösung.

Entscheidend bei der Umsetzung der neuen Regeln ist die Rechtsdurchsetzung: In dem neuen Entwurf werden zwar explizit Ausnahmen für die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke definiert, jedoch haben Netzaktivisten in der Vergangenheit kritisiert, dass die Praxis anders aussehen könnte. Plattformen würden nämlich aus Angst vor Strafe ihre Filtermechanismen voraussichtlich eher strenger einrichten, da sie sonst eine mögliche Strafe befürchten müssen, sofern es zu einer Urheberrechtsverletzung kommt.

Das könnte dazu führen, dass legale Inhalte blockiert werden, auch weil die Systeme beispielsweise Satire oder Zitate womöglich nicht als solche erkennen. Die EU-Richtlinie sieht in diesem Punkt Ausnahmen bei sehr kleinen Plattformen vor, nämlich wenn sie jünger als drei Jahre sind, wenn der jeweilige Dienst weniger als fünf Millionen Nutzer pro Monat hat oder wenn der Jahresumsatz weniger als zehn Millionen Euro beträgt. In einem solchen Fall müssten Betreiber nur "größte Bemühungen" anstellen, um Lizenzen einzuholen.

Leistungsschutzrecht noch nicht behandelt

Ebenso umstritten ist das Leistungsschutzrecht. Dieses verbietet die Verbreitung von längeren Textausschnitten. Demnach dürfen andere Plattformen nur mehr sehr kurze Ausschnitte eines Artikels verbreiten. Damit werden vor allem News-Aggregatoren wie Google News zum Ziel genommen. Allerdings scheiterten ähnliche Regelungen in der Vergangenheit in Deutschland und Spanien: Google gab an, keine Medien mehr anzuzeigen, die dem Unternehmen keine Ausnahme einräumen. Die meisten großen Verlage erteilten diese daraufhin bald, da sie sonst Zugriffe verlieren würden. Die betreffenden Textvorschläge sollen noch nachgereicht werden. Eine Anfrage beim Justizministerium, wann das geschehen wird, läuft aktuell.

Copyright ohne Uploadfilter möglich

"Ob die Gefahr verpflichtender Uploadfilter abgewandt wird, lässt sich aus dem Entwurf nicht erkennen", sagt der Urheberrechtsexperte Bernhard Hayden von der Grundrechts-NGO Epicenter Works, allerdings sei der Spielraum dafür definitiv gegeben. "Eine Möglichkeit wäre beispielsweise eine verpflichtende Lizenzierung", bei der Plattformen im Vorfeld für Inhalte zahlen müssen, sagt er zum STANDARD.

Mit einer Bagatellgrenze könnte dann ermöglicht werden, dass beispielsweise wenige Sekunden Inhalt ohne Konsequenzen genutzt werden können. Ohne Lizenzierung wird es aber für ein Gesetz ohne Uploadfilter schwierig. Für die Netzaktivisten wäre alles andere allerdings eine Enttäuschung. Der aktuelle Entwurf sei zwar insgesamt positiv zu bewerten – aber auch "das Mindestmaß von dem, was man aus europäischer Sicht machen könnte". (Muzayen Al-Youssef, 22.6.2020)