WHO-Generaldirektor Tedros warnte davor, dass sich die Pandemie noch immer in einer Phase der Beschleunigung befinde.

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Während in zahlreichen Regionen der Welt die Corona-Pandemie mehr oder weniger unter Kontrolle ist und die Zahl der Erkrankungen zumindest stabil erscheint, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO davor, dass sich die Ausbreitung der Seuche weiter beschleunige. Für Sonntag meldete die WHO den höchsten Anstieg von Neuinfektionen seit Ausbruch der Viruserkrankung Ende 2019: Innerhalb von 24 Stunden seien weltweit 183.020 Corona-Infektionen nachgewiesen worden, um fast 2000 Fälle mehr als der bisherige Rekordwert am 18. Juni.

Davon entfielen über 116.000 auf den amerikanischen Doppelkontinent, der damit weiterhin das aktuelle Zentrum der Seuche ist. Insgesamt sind seit Ausbruch der Pandemie bereits mehr als 8,7 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert worden, mehr als 468.000 sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte davor, dass sich die Pandemie noch immer in einer Phase der Beschleunigung befinde. Die Politisierung der Pandemie habe die Lage noch verschärft, der Mangel an weltweiter Einheit sei eine größere Bedrohung als der Ausbruch des Virus selbst, kritisierte er beim virtuell abgehaltenen Gesundheitsforum des von Dubai organisierten "Weltregierungsgipfels". Das Treffen dient einem Austausch zwischen Vertretern von Politik, Wirtschaft und NGOs.

WHO in der Kritik

Die WHO war zuletzt in die Kritik geraten. Verschiedene Staaten, insbesondere die USA, beklagten, die Organisation habe zu schwach, zu langsam und zu China-freundlich auf die Seuche reagiert. Andere Mitgliedsstaaten forderten eine Erhöhung der Kompetenzen für die WHO, um schneller auf Bedrohungen wie das Coronavirus reagieren zu können. Die Welt brauche verzweifelt Einigkeit und weltweite Solidarität, sagte Tedros beim Weltregierungsgipfel und verlangte die Stärkung bestimmter internationaler Gesundheitsregelungen, um sie praktikabler zu machen.

Um welche Punkte es sich dabei genau handelte, führte der WHO-Chef nicht aus, er erklärte lediglich, dass diese eine "koordinierte, vorhersehbare, transparente, breitangelegte und flexible Finanzierung" benötigen würden, um umgesetzt werden zu können.

Gesundheitsversorgung zur Priorität machen

Tedros sagte auch, dass alle Länder die allgemeine Gesundheitsversorgung zu einer Priorität machen müssen, und warnte die Welt, dass harte Gesundheitssysteme "die Grundlage der globalen Gesundheitssicherheit sowie der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung" seien.

In Amerika sind vor allem die USA und Brasilien massiv von Corona betroffen. In Brasilien überstieg die Zahl der Infektionen zuletzt die Marke von einer Million. Das Land liegt damit weltweit nur hinter den USA, 50.000 Todesfälle werden dem Virus zugeschrieben. Aufgrund mangelhafter Testkapazitäten wird jedoch eine weitaus höhere Dunkelziffer vermutet.

Südkorea spricht von "zweiter Welle"

Auch in Asien scheint die Pandemie wieder an Fahrt aufzunehmen. In Südkorea sprechen die Behörden erstmals von einer zweiten Infektionswelle. Man sei bereits mitten in dieser, sagt Jeong Eun-kyeong, Direktorin des Koreanischen Zentrums für Krankheitskontrolle und Vorsorge (KCDC). Zuvor hatte das KCDC stets erklärt, dass die erste Welle im Land nie wirklich aufgehört habe. Nun sei klar geworden, dass das Feiertagswochenende Anfang Mai den Beginn der neuen Welle markiere, sagte Jeong. Die Infektionen werden vor allem im Großraum Seoul nachgewiesen.

Während in den Niederlanden am Sonntag erstmals seit dreieinhalb Monaten kein Corona-Todesfall registriert wurde, bereiten sich auch die europäischen Spitäler auf eine mögliche zweite Welle vor. Hierzu sollen Personalreserven ausgebildet und mobiler gemacht werden. "Wir brauchen eine Gesundheitsarmee", sagte Maurizio Cecconi, der neugewählte Präsident der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin (ESICM). Bei einer weiteren Welle solle Gesundheitspersonal aus nahe gelegenen Regionen eingesetzt werden. Dies sei bei der ersten Welle nicht in ausreichendem Maß geschehen. (vos, Reuters, 23.6.2020)