Die nächsten zwei Sitzungen im Ibiza-Ausschuss dürften für die Kanzlerpartei ÖVP nicht besonders angenehm werden. Denn der Untersuchungsausschuss widmet sich nun türkisen Verflechtungen in die Casinos-Affäre.

Zur Erinnerung: Prinzipiell geht es um die Frage, ob die FPÖ mit dem Casinos-Miteigentümer Novomatic einen Deal abgeschlossen hat, der den Freiheitlichen Geld und einen Vorstandsposten für den Bezirksrat Peter Sidlo in der Casinos Austria AG gebracht hat und der Novomatic im Gegenzug geplante Gesetzesänderungen. FPÖ und Novomatic weisen das von sich. Nun soll vom U-Ausschuss geprüft werden, inwiefern der türkise Koalitionspartner von etwaigen Absprachen wusste.

Gernot Blümel, Finanzminister

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Unter Türkis-Blau war Blümel als Minister für EU, Kunst und Medien zuständig – eine weit von den Casinos entfernte Materie. Doch Blümel hatte darüber hinaus den Posten des türkisen Regierungskoordinators über. Absprachen über Personaldeals dürften also über seinen Tisch gewandert sein. Außerdem scheint Blümel eine längere Beziehung zum Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann gehabt zu haben. Im Jahr 2014 war Neumann Geschäftsführer des G4S Security Services AG; gegen ihn wurde im Telekom-Komplex wegen Geldwäsche ermittelt. Neumann überlegte in Gesprächen mit einem befreundeten Manager, ob er nicht Blümel einen Brief an den damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) mitgeben könnte. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt.

Hartwig Löger, Ex-Finanzminister (bis 2019)

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Da die Öbag zum Finanzministerium ressortiert, hat auch der jeweilige Minister ein gewichtiges Wort bei Postenbesetzungen in deren Firmenportfolio mitzureden. Deshalb wird auch Hartwig Löger verdächtigt, von der Sidlo-Bestellung gewusst zu haben. Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner, der für Donnerstag geladen ist, notierte nach einem Gespräch mit Löger (ÖVP) aber, dass der mit Novomatic-Gründer Johann Graf konferiert habe: "Der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muss." Graf wolle keinen anderen Kandidaten, und, so Rothensteiner: Er müsse seine Funktion eigentlich überdenken, das habe er auch dem Minister gesagt. Der habe ihn um Verständnis gebeten. Man kennt einander: Löger war aus dem Uniqa-Vorstand in seinen Ministerposten gekommen, Rothensteiner ist seit langen Jahren im Uniqa-Aufsichtsrat, Chef des Kontrollgremiums der Uniqa Insurance Group. Nach dem Aus der türkis-blauen Regierung wegen des Ibiza-Videos war Löger sogar wenige Tage lang einstweiliger Kanzler.

Sebastian Kurz, Kanzler

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Am Mittwoch, 24. Juni, soll um 10 Uhr Kanzler Sebastian Kurz erscheinen. Er taucht bisher nur peripher in den Ermittlungsakten auf. Auch SMS von ihm an Besitzer beschlagnahmter Smartphones – etwa an Vizekanzler Heinz-Christian Strache – liegen dem U-Ausschuss nicht vor. Klar und logisch ist, dass sich ÖVP und FPÖ über Postenbestellungen ausgetauscht haben. Auch im intimen Rahmen: Kurz, sein Chefberater Stefan Steiner, Finanzminister Gernot Blümel sowie die FPÖ-Granden Heinz-Christian Strache, Norbert Hofer und Herbert Kickl speisten bei Kurz daheim in Wien-Meidling. Worüber da gesprochen wurde, wollen die Abgeordneten am Mittwoch erfragen. Da Kurz nicht strafrechtlich verdächtigt wird, kann er sich der Aussage nicht entschlagen.

Walter Rothensteiner, Casinos-Aufsichtsratschef

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Rothensteiner ist seit 26 Jahren Aufsichtsratschef der Casinos Austria AG (Casag) und war daher mit seinen Präsidiumskollegen federführend bei der Bestellung von Sidlo zum Finanzvorstand per Mai 2019. Sidlo kannte den Generalanwalt des Raiffeisensektors Rothensteiner aus dem Generalrat der Nationalbank. Nach einer Sitzung hatte er Rothensteiner auf dem Gang aufgehalten und sein Interesse an dem Casag-Vorstandsjob signalisiert: Ob es dort wohl auch einen Job für die FPÖ gäbe, meinte er sinngemäß. Die Art, wie Sidlo mit ihm gesprochen habe, habe ihn kurz erwägen lassen, seinen Aufsichtsratsvorsitz zurückzulegen, falls Sidlo bestellt würde, schrieb Rothensteiner später an die Staatsanwaltschaft. Mit dessen gesetzlichen Qualifikationen, die Sidlo "zweifelsfrei erfüllte", habe das aber nichts zu tun gehabt. "Ro", wie man den Manager in der Bank nannte, ließ mehrere Gutachten einholen und dann abstimmen. Sidlo wurde gewählt, unter Stimmenthaltung der tschechischen Sazka-Group. Rothensteiner ist Beschuldigter, man wirft ihm auch Untreue vor, weil der Aufsichtsrat u. a. den Vertrag von Altvorstand Dietmar Hoscher um sehr viel Geld vorzeitig aufgelöst hat. Rothensteiner bestreitet die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Thomas Schmid, Öbag-Alleinvorstand

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Anders ist das beim ehemaligen Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid. Er ist Beschuldigter in zwei Verfahren: einmal in der Casinos-Affäre, einmal in Ermittlungen wegen Suchtgiftdelikten. Beide Verdächtigungen weist er von sich. Schmid avancierte unter Türkis-Blau vom Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium zum Alleinvorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag). Somit wacht er über 20 Milliarden Euro an Staatsbeteiligungen, etwa bei den Casinos. Auf Schmids Smartphone fanden die Ermittler zahlreiche brisante Nachrichten; sein Name taucht auch in der Affäre rund um rechtswidrige Ermittlungen gegen Finanzmitarbeiter im Fall der nach außen gedrungenen Steuerdaten des ÖVP-Großspenders Pierer auf.

Bettina Glatz-Kremsner, Casag-Vorständin

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Bettina Glatz-Kremsner ist seit den Postenrochaden in der Casag deren Vorstandsvorsitzende. Die heute 57-Jährige ist seit rund 30 Jahren im teilstaatlichen Glücksspielkonzern tätig, kam 2004 ins Management der Österreichischen Lotterien und 2010 in den Vorstand der Casinos, war dort zuletzt für die Finanzen zuständig. Sie soll auch von jenem Treffen bei der Glücksspielmesse in London Bescheid wissen, bei dem der Sidlo-Deal akkordiert worden sein soll. Da trafen einander Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ), Novomatic-Gründer Johann Graf und der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann zum Gespräch. Auch die Casag-Finanzvorständin war bei der internationalen Messe dabei. Politisch passt die Managerin, die auch mit den Stimmen der tschechischen Sazka-Gruppe in den Chefsessel gewählt wurde, bestens ins Bild. Von Juli 2017 bis zu ihrem Sprung an die Casag-Spitze war sie stellvertretende Parteiobfrau der ÖVP. Ihr Karrieresprung brachte ihr 1,6 Mio. Euro Abfertigung, wobei das vom Unternehmen stets damit erklärt wird, dass die Managerin auf 25 Prozent ihres Einkommens verzichtet habe, das Unternehmen spare durch den billigeren Vertrag rund eine halbe Million Euro im Jahr. Begründet wurde der Schritt mit den "schwierigen Zeiten". (Renate Graber, Fabian Schmid, 23.6.2020)