Frankreichs Nationalversammlung hat in der Nacht auf Dienstag ein Gesetz gebilligt, das eine verstärkte Überwachung freigelassener Ex-Terroristen ermöglicht.

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Es sei "mehr als eine Sorge", sagte Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard kürzlich bei einer Parlamentsanhörung: "Es ist eine echte Angst." Gemeint war die bevorstehende Freilassung von mehreren Ex-Terroristen. Deren 31 werden ihre Strafe in diesem Jahr abgesessen haben; 61 folgen im nächsten Jahr, 50 im Jahr 2022.

Hinzu kommen 900 Islamisten, die von den Gefängnisbehörden der Radikalisierung verdächtigt werden. "Wir nehmen ein entscheidendes Jahr in Angriff", führte Ricard weiter aus. "Und wir haben kein Recht, Fehler zu machen", sagte er mit Bezug auf den Fall eines britischen Jihadisten, der kurz nach seiner Freilassung in London einen Messerangriff verübt hatte.

Verstärkte Überwachung gebilligt

In Frankreich soll dies nach den schweren Anschlägen von 2015 und 2016 nicht vorkommen. Die Nationalversammlung hat in der Nacht auf Dienstag ein Gesetz gebilligt, das eine verstärkte Überwachung freigelassener Ex-Terroristen ermöglicht. Juristisch ist die Frage heikel: Wer seine Strafe abgesessen hat, kann normalerweise nicht mehr in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Die Macron-Partei LRM und die konservativen Republikaner genehmigten aber eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen wie etwa die Möglichkeit, die Wohnsitzwahl einzuschränken.

Vor allem aber führten sie die Möglichkeit elektronischer Fußfesseln für radikalisierte Ex-Häftlinge ein. Justizministerin Nicole Belloubet riet im Namen der Regierung und von Präsident Emmanuel Macron davon ab: Solche Maßnahmen, befand sie, seien oft unverhältnismäßig oder gar kontraproduktiv, da sie die Freigekommenen "noch mehr in ihre Ideologie einschließen könnten". Auch verhinderten sie nicht unbedingt Attentate: In der Kirche von Saint-Étienne-du-Rouvray habe der vorbestrafte Angreifer im Jahr 2016 Fußfesseln getragen.

Keine Rund-um-die-Uhr-Überwachung

Die Macron-Abgeordnete Yaël Braun-Pivet überzeugte die Parlamentsmehrheit, dass Islamisten noch zehn Jahre nach ihrer Freilassung eng kontrolliert werden müssten. "Einige sind noch sehr gefährlich, und wir haben nicht genug Mittel, ihnen rund um die Uhr zu folgen", meinte die Abgeordnete zur Begründung.

Die bisher Freigelassenen werden heute noch vom Geheimdienst und Resozialisierungsbehörde SPIP überwacht. Den Freigelassenen werden auch Deradikalisierungskurse angeboten. Einzelne Betroffene besuchen diese "Pairs" genannten Sessionen von drei bis 20 Stunden pro Woche. 90 Prozent lehnen jedoch jeden Dialog mit den Behörden ab. (Stefan Brändle aus Paris, 23.6.2020)