Claudia Benesch führt Strömungssimulationen durch.

Foto: Sissi Furgler

Bei welchen Tätigkeiten sich Menschen "verlieren" und das beglückende Gefühl völliger Vertiefung erleben, ist naturgemäß sehr unterschiedlich. Manche geraten beim Sporteln in den Flow, andere beim Heimwerken oder beim Malen von Bildern. Über das Lösen komplexer verfahrenstechnischer Aufgaben finden eher wenige in diesen rauschhaften Zustand der Weltvergessenheit.

Claudia Benesch gehört zu dieser Minderheit. Treffenderweise sind es Strömungssimulationen – "flow simulations" –, die bei ihr das Flow-Erleben in Gang setzen. Der aktuelle Anlass dafür ist prosaisch: Für einen oberösterreichischen Hersteller soll ein Biomassekessel mit besonders hohem Wirkungsgrad entwickelt werden, den man u. a. durch die Integration eines Kondensators in die Anlage erreichen will.

Als Mitarbeiterin der Grazer Firma Bios Bioenergiesysteme, die sich mit der Erforschung, Entwicklung und Planung von Bioenergiesystemen beschäftigt, ist die promovierte Chemikerin dabei unter anderem für die numerischen Strömungssimulationen zuständig.

Zusätzliche Energie herausholen

"Bei der Verbrennung von Biomasse werden Gase gebildet, darunter auch gasförmiges Wasser", erklärt die Wissenschafterin. "Wenn man dieses Wasser wieder auskondensiert, wird sehr viel Wärme frei." Schließt man also einen Kondensator an die Verbrennungsanlage an, kann man aus ihr zusätzliche Energie herausholen.

Mit ihren Simulationen macht Claudia Benesch die dabei auftretenden Strömungsvorgänge am Computer sichtbar, sodass die um den Kondensator erweiterte Anlage optimiert werden kann, ohne für jede Änderung aufwendig eine neue Versuchsanlage zu bauen. "Bis zu 20 Prozent mehr Energie lässt sich durch die richtige Auslegung des Kondensators aus der Biomasseanlage gewinnen", berichtet sie.

Für ihre Arbeiten im nach wie vor männerdominierten Feld der Energietechnik wurde die gebürtige Wienerin im Rahmen der Femtech-Initiative des Klimaschutz- und Technologieministeriums vor einiger Zeit zur Expertin des Monats gekürt. Dass ihr Know-how als Chemikerin und ihre Leidenschaft für die Informatik in ihrer beruflichen Tätigkeit eine so innige Verbindung erfahren, betrachtet Claudia Benesch als Privileg.

Ethische Ausrichtung der Arbeit

Unverzichtbar ist für sie auch die ethische Ausrichtung ihrer Arbeit, in der Klima- und Umweltschutz die jeweiligen Forschungsfragen bestimmen. "Mit meinen Kenntnissen könnte ich theoretisch auch Finanzprodukte in einer Bank berechnen oder in der Pharmaindustrie arbeiten", meint die praktizierende Buddhistin lachend. "Aber das ließe sich mit meiner Weltanschauung nicht vereinbaren."

Sosehr ihr berufliches Leben von der kühlen Rationalität mathematischer Berechnungen geprägt ist, in der Freizeit ist die 40-jährige Wahlgrazerin in ganz anderen Gefilden unterwegs. Etwa in den Klangräumen des Mittelalters, die sie auf dem Psalterium – einer Art liegender Miniharfe – zu neuem Leben erweckt.

Ziemlich lebendig geht es auch in der historischen Tanzgruppe zu, mit der Claudia Benesch diese gar nicht verstaubten Räume im Rhythmus der Alten Musik durchmisst. Wenig überraschend, dass die Strömungsexpertin auch in diesen arbeitsfreien Zonen tanzenden Fußes häufig in den Flow-Zustand abgetrieben wird. (Doris Griesser, 28.6.2020)