Justizministerin Alma Zadić (Grüne) traf in Berlin ihre deutsche Ressortkollegin Christine Lambrecht (SPD).

Foto: Imago Images / Felix Zahn

"Das Muster beim Hass im Netz ist, wenn es gegen Frauen geht, oft ähnlich. Zuerst werden Beleidigungen gepostet, danach folgen Fotomontagen aus Hardcore-Pornos, und zum Schluss gibt es Morddrohungen." Das berichtet Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von Hate Aid, einer Berliner Organisation, die Opfer von Online-Hass unterstützt.

Österreichs Justizministerin Alma Zadić (Grüne), die aus Wien in die deutsche Hauptstadt gekommen ist, nickt. Sie hat bei ihrem Amtsantritt erfahren, was es heißt, Zielscheibe von Hass im Netz zu sein. "Die Problemlage ist in Österreich ja ähnlich", sagt die Ministerin. Daher will sie gegen Hass im Netz vorgehen und holt sich unter anderem in Deutschland und Frankreich Anregungen, um zu "schauen, wie wir in Österreich damit umgehen".

Kritik an fehlender Kooperation

Die aktuelle Kooperation mit Facebook in Österreich lasse zu wünschen übrig, macht Zadić deutlich: "Facebook kooperiert nicht, es wechseln auch ständig die Ansprechpartner. Das ist für die Bundesregierung ein Auftrag zum Handeln."

In Deutschland interessiert Zadić das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das etwas salopper auch "Facebook-Gesetz" genannt wird. In Kraft trat es 2018, seither sind Anbieter sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und Youtube verpflichtet, "offensichtlich rechtswidrige Inhalte" wie Volksverhetzung oder Bedrohungen innerhalb von 24 Stunden nach einer Beschwerde zu sperren oder zu entfernen. "70 Prozent der Anfeindungen sind rechts motiviert", sagt von Hodenberg, mit der Zadić ein Gespräch hatte. Sie berichtet vor allem von Kampagnen gegen Feministinnen, Klimaschützer und jene, die sich für Migrantinnen und Migranten einsetzen.

Deutschland als Vorreiter

Natürlich hat Zadić auch mit der deutschen Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) gesprochen. Diese informierte sie auch über Verschärfungen, die der Bundestag gerade beim deutschen NetzDG beschlossen hat.

Soziale Netzwerke müssen strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden, samt der letzten IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war.

Lambrecht erwartet 150.000 zusätzliche Ermittlungsverfahren pro Jahr. Sie sieht Deutschland hier weltweit als Vorreiter.

Nicht eins zu eins übertragen

Eins zu eins wird das deutsche Gesetz nicht auf Österreich übertragen werden, dazu sind die rechtlichen Gegebenheiten zu unterschiedlich. Im österreichischen Justizministerium tagt eine Arbeitsgruppe, noch vor der Sommerpause will Zadić "einen ersten Aufschlag mit einem Gesetzesentwurf präsentieren".

Dass sie selbst massiven Anfeindungen ausgesetzt war (und zum Teil immer noch ist), ist ihr dabei Ansporn. Ihren Eltern, sagt sie, wäre es wohl lieber, sie würde nicht so im Rampenlicht stehen. Aber, so Zadić: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen mundtot gemacht werden. Sie müssen sich wehren können." (Birgit Baumann aus Berlin, 23.6.2020)