Die Artikel 9a und 79 der Bundesverfassung legen ziemlich deutlich fest, welche Aufgaben das Bundesheer hat und wie diese zu erfüllen sind. Allerdings weiß man auch: Der Zustand des österreichischen Bundesheeres entspricht schon lange nicht mehr dem Verfassungsauftrag – um diesen erfüllen zu können, müsste man im laufenden Jahrzehnt mindestens 17 Milliarden Euro an zusätzlichen Budgetmitteln aufbringen.

Das hat im Vorjahr der Interimsverteidigungsminister Thomas Starlinger, ein Berufsoffizier, der das Vertrauen des Bundespräsidenten und Oberbefehlshabers Alexander Van der Bellen genießt, erheben lassen.

Seine Nachfolgerin Klaudia Tanner weiß, dass es die geforderten Budgetmittel in einer Mitte-links-Regierung nicht gibt (es hat sie ja auch nicht unter der letzten Mitte-rechts-Regierung gegeben). Ein den Aufgaben angemessenes Budget ist politisch nicht gewollt. Also verlegt sich Tanner darauf – Bundesverfassung hin, Bundespräsident her –, die Aufgaben des Heeres (und demnächst wohl auch die der Luftwaffe) an das knappe Budget anzupassen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mit Soldaten des Bundesheeres.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Vieles von dem, was diese Woche den enttäuschten Offizieren – und anschließend dem Nationalen Sicherheitsrat – vorgelegt wird, kommt einem irgendwie vertraut vor. Das beginnt schon mit dem Arbeitstitel "Unser Heer": Diesen Begriff hatte das damalige Büro für Wehrpolitik in den 1980er-Jahren geprägt, um die Volksverbundenheit der damals auf 200.000 Mann anwachsenden Truppe zu betonen. Tanner verwendet ihn nun für ihre Schrumpfversion des Bundesheeres – und auch diese ist schon in den 1980er-Jahren angedacht worden. 1989 hatten die Jusos den Begriff "Bundesheer light" geprägt, der auf vehementen Widerstand des damaligen Verteidigungsministers Robert Lichal (ÖVP) gestoßen ist.

Schmiergeld-Gerüchte

Jetzt also nimmt das Bundesheer Abschied von schweren Waffensystemen – und damit auch von der Fähigkeit, mit diesen umzugehen und sie gegebenenfalls in internationale Einsätze einzubringen. Aber diese Einsätze sind (wie eine gleichzeitig lancierte Demox-Studie belegt) ohnehin nicht sehr populär in der österreichischen Bevölkerung.

Unpopulär sind auch teure Waffensysteme, die daher stets mit Schmiergeld-Gerüchten skandalisiert werden. Da will Tanner nicht anstreifen. Und tatsächlich ist es ja nicht sehr wahrscheinlich, dass das Bundesgebiet in den nächsten fünf bis zehn Jahren zum Schauplatz eines mit konventionellen Waffen ausgetragenen Konfliktes wird.

Also nimmt die Ministerin eine weitgehende Entmilitarisierung der Republik vor: Das Bundesheer soll die Fähigkeit, "Schutz und Hilfe" (ein Wehrpolitik-Slogan der 1990er-Jahre) zu leisten, beibehalten, den Schutz und die Hilfe aber vor allem als Assistenzleistung für zivile Organisationen erbringen. Die Soldaten haben sich ja immer wieder als Katastrophenhelfer bei Naturereignissen (das wird von der Bevölkerung besonders anerkannt) und als Helfer der Polizei oder der Post (wie zuletzt beim Corona-Einsatz) bewährt. Ergänzt wird das Ganze durch ein bisschen Cybersicherheit, Luftraumüberwachung und Geheimdiensttätigkeit. Und nach wie vor gilt, dass das Bundesheer die einzige Organisation des Landes ist, die auch bei längeren Krisen durchhaltefähig ist. Ob das für die Sicherheit des Landes ausreichend ist, wird sich weisen. Aber immerhin legt die Politik einmal offen, dass sie ohnehin nicht mehr Sicherheit will. (Conrad Seidl, 24.6.2020)