Es ist rund 15 Jahre her, dass der erste Vorstoß zur Schaffung einer echten Sammelklage in Österreich unternommen wurde. Und 15 Jahre lang wurde dieses Vorhaben von einer Allianz aus Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und ÖVP verhindert. Seither arbeiten heimische Konsumentenschützer mit einem Notbehelf, der Sammelklage österreichischer Prägung, die zwar bereits vielen Verbrauchern zu ihrem Recht gegenüber Großkonzernen verholfen hat, aber sich auch allzu oft als umständlich, teuer oder untauglich erweist.

In den letzten 15 Jahren hat sich in Europas Wirtschaft viel geändert; Verbraucherklagen sind zur Routine geworden – auch in Österreich. Und nirgendwo sind die von den Gegnern an die Wand gemalten "amerikanischen Verhältnisse" eingerissen, bei denen Unternehmen mit oft absurden Klagen eingedeckt und erpresst werden.

EU-Parlament und EU-Rat haben sich auf die Möglichkeit europaweiter Kollektivklagen geeinigt.
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Als Folge der VW-Abgasaffäre hat die EU das Heft in die Hand genommen und sich nach langem Ringen auf ein europaweites Modell geeinigt, das auch Bereiche wie Datenschutz sowie Flug- und Zuggastrechte einschließt. Es ist zwar weniger ehrgeizig als der ursprüngliche "New Deal for Consumers" der EU-Kommission, aber dennoch ein Durchbruch zu einer neuen Dimension des Verbraucherschutzes. Und es bringt Österreich gehörig unter Zugzwang.

Rechtsinstrumente

Die Bundesregierung könnte die Richtlinie in den kommenden zwei Jahren restriktiv umsetzen, indem sie etwa die neuen EU-Regeln nur auf grenzüberschreitende Tatbestände anwendet. Auch das wäre ein Fortschritt: Bei den Klagen gegen VW haben die bestehenden Rechtsinstrumente gar nicht funktioniert. Oder aber sie entschließt sich zu einer umfassenden Reform, die es möglich macht, dass große Gruppen von Verbrauchern ihre Klagen gebündelt und effizient vor einem Gericht einbringen können.

Dabei geht es nicht nur um die Rechte individueller Verbraucher gegenüber mächtigen Konzernen, sondern auch um die Zukunft der Justiz. Denn die derzeitige Praxis führt immer wieder dazu, dass tausende Einzelklagen eingebracht oder die Verfahren auf unterschiedliche Bezirks- oder Landesgerichte aufgesplittet werden müssen. Beides führt zur Überlastung der unterfinanzierten Gerichte.

Hier bietet sich ein Thema an, bei dem sich die grüne Justizministerin Alma Zadić profilieren und beweisen kann, dass der kleine Koalitionspartner nicht immer vom großen überrollt wird. Sie sollte es möglichst gut nutzen. (Eric Frey, 23.6.2020)