Deutlich mehr Menschen griffen während des Corona-Lockdowns zu Cannabis, Alkohol und anderen Drogen.

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Innsbruck – Auf die Drogenberatungseinrichtungen kommt nach Corona viel Arbeit zu. Wie eine Online-Studie der Innsbrucker Drogenarbeit Z6 und der Wiener Suchthilfestelle Checkit zeigt, haben sich Konsumverhalten wie auch der Markt für illegale Substanzen während des Lockdowns deutlich verändert. "Knapp die Hälfte der Befragten hat angegeben, mehr zu konsumieren als davor. Rund ein Drittel nimmt zudem größere Mengen zu sich, und ein Fünftel ist mangels Verfügbarkeit auf andere Substanzen als bisher umgestiegen", fasst Manuel Hochenegger von Z6 die Studienergebnisse zusammen.

Von den 337 befragten Personen gaben 44 Prozent an, dass sie häufiger als zuvor Substanzen konsumieren. Bei rund einem Viertel, 24 Prozent, hat sich das Konsumverhalten nicht verändert. 22 Prozent nehmen seit der Pandemie weniger Substanzen zu sich, und sechs Prozent stellten ihren Konsum kurzfristig ein.

Hälfte konsumiert mehr als vor Corona

Unter jener knappen Hälfte der Befragten, die nun mehr konsumieren als davor, ist Cannabis (63 Prozent) die am häufigsten genannte Substanz. Auf Platz zwei folgt Alkohol (48 Prozent), was vor allem an der legalen Verfügbarkeit liegt, wie Hochenegger erklärt: "Alkohol wird für uns damit in Zukunft noch mehr Thema als bisher, da unsere Klienten eigentlich hauptsächlich illegale Substanzen konsumierten." An dritter Stelle folgt Speed (16 Prozent), dahinter liegen Opioide (neun Prozent) und MDMA/XTC sowie Nikotin (jeweils acht Prozent).

Nicht nur die Substanzen selbst, auch die Dosen haben sich im Zuge der Corona-Pandemie verändert. Rund ein Drittel der Befragten (32 Prozent) gab an, mehr zu konsumieren als davor. Bei weiteren 31 Prozent ist der Konsum gleich geblieben, nur rund ein Viertel (24 Prozent) gab an, weniger zu sich zu nehmen als vor den Beschränkungen. Bei vier Prozent haben sich die Mengen der konsumierten Substanzen verschoben. So stieg meist der Alkoholkonsum, während illegale Substanzen zurückgingen.

Höhere Dosen bei Cannabis, Alkohol und Speed

Unter jenen, die höhere Dosen konsumieren, war wieder Cannabis an erster Stelle (51 Prozent) und Alkohol auf Platz zwei (37 Prozent). Auf Platz drei folgt Speed (18 Prozent), deutlich darunter liegen Opioide (sieben Prozent) und MDMA/XTC (fünf Prozent). Den gesteigerten Konsum erklärten einige Befragte damit, dass sie während des Lockdowns schlichtweg mehr Zeit hatten oder einfach nicht Besseres zu tun.

Ein Fünftel der Befragten wechselte im Zuge des Corona-Krise zu anderen Substanzen. Am häufigsten wurde zusätzlich zu Alkohol gegriffen (32 Prozent), gefolgt von Cannabis (16 Prozent) und LSD (13 Prozent). Als Grund für den Wechsel zu Halluzinogenen wie LSD, Pilzen oder Meskalin gaben die Befragten etwa an, dass sie nun mehr Freizeit und somit mehr Möglichkeiten hatten, "Substanzen zu nehmen, die sonst nicht ins Alltagsleben passen". Beim Alkohol war wiederum die legale Verfügbarkeit der Hauptgrund für den Wechsel.

Mehr Zeit zum Drogenkonsum

Die am häufigsten genannten Gründe für verändertes Konsumverhalten sind "weniger Verantwortung und mehr Zeit" (28 Prozent). So gaben Befragte an, durch Kurzarbeit mehr Freizeit und somit Zeit zum Konsum von Alkohol zu haben. Andere nutzten die Zeit zu Hause, um Psychedelika wie Pilze oder LSD auszuprobieren. Eine andere Begründung lautete: "Da ich nicht Autofahren muss wegen Homeoffice." Für weitere 27 Prozent war Langeweile das Motiv, ihr Konsumverhalten zu verändern. Diese Gruppe nannte Alkohol und Cannabis als Substanzen der Wahl.

An dritter Stelle, mit 18 Prozent, folgt allerdings "psychische Belastung / Coping" als Motiv für eine Konsumveränderung. Die Situation während des Corona-Lockdowns, die soziale Isolation und die damit einhergehenden belastenden Emotionen wurden dabei als Motive genannt. Frust, Stress durch Kinderbetreuung wurden ebenso genannt wie das Gefühl, alleingelassen zu werden.

Corona beeinflusst den Drogenmarkt

Durch die nationalen Lockdowns hat sich auch die Verfügbarkeit illegaler Substanzen verändert, wie 34 Prozent der Befragten angaben. Vor allem die Beschaffung sei schwieriger geworden. Der Straßenverkauf von Drogen sei praktisch zum Erliegen gekommen, Events fallen ebenso weg, und selbst im Darknet seien die Lieferzeiten deutlich länger geworden. Die Auswahl angebotener Substanzen sei ebenso zurückgegangen wie die Qualität. Dafür stieg nicht selten der Preis, sagten 14 Prozent. Und auch am Drogenmarkt, so erklärten drei Befragte, kam es zu Hamsterkäufen angesichts der Pandemie, was wiederum zu Engpässen geführt haben soll.

Die Qualität leide unter diesen Verfügbarkeitsproblemen. "Cannabis wird feuchter verkauft und schaut optisch nicht mehr so ansprechend aus", lautete ein Kommentar eines Befragten. Mehrere berichteten unabhängig voneinander von Streckmitteln in Substanzen.

Trotz aller Veränderungen und Schwierigkeiten machen sich 71,5 Prozent der Befragten keine oder eher keine Sorgen hinsichtlich ihres eigenen Konsums. Vier Prozent sind hingegen besorgt ob des eigenen Drogenkonsumverhaltens, weitere 23 Prozent "eher besorgt".

Wenige Überraschungen für Experten

Für Hochenegger von Drogenarbeit Z6 birgt die Online-Studie "nicht sonderlich viele Überraschungen": "Die Ergebnisse bestätigen unsere Erfahrungen aus der Online- und Telefonberatung während des Corona-Lockdowns." In Krisenzeiten steige der Konsum, und da vor allem Alkohol legal verfügbar ist, greifen viele dazu. "Der Konsum dient dann in erster Linie der Stressbewältigung", so der Experte.

Wer bei sich oder Personen in seinem Umfeld größere Veränderungen im Konsumverhalten feststellt, kann sich anonym und kostenlos an die Beratungseinrichtungen Checkit in Wien oder Drogenarbeit Z6 in Innsbruck wenden. Die Beratung ist vertraulich, und niemand muss rechtliche Konsequenzen fürchten. Die Hilfsangebote stehen sowohl online als auch im persönlichen Gespräch vor Ort zur Verfügung. Die Studie zeigt zudem, dass die Konsumenten von einem schlechteren Substanzmarkt ausgehen. Gerade deshalb, so Hochenegger, seien die Drug-Checking-Angebote der beiden Einrichtungen jetzt besonders zu empfehlen, um den Konsum besonders gesundheitsschädlicher Substanzen zu verhindern. Infos zu den Angeboten, im Zuge derer Konsumenten Substanzen auf ihre Inhaltsstoffe überprüfen lassen können, findet man auf der jeweiligen Homepage (siehe unten). (Steffen Arora, 24.6.2020)