Mit der Reisefreiheit werden im Anlagenbau auch neue Aufträge eintrudeln, hofft die Industrie.

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Wien – Nach der ersten Sozialpartnerrunde über die Verlängerung der Kurzarbeit über September hinaus, glaubt Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer zu wissen, wohin die Reise nach den Wünschen der Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter gehen würde: in die 35-Stunden-Woche. Und da schrillen beim neuen WKO-Präsidenten die Alarmglocken: "Ich bin gegen jede Form der Arbeitszeitverkürzung", stellte Mahrer am Dienstag in einer Pressekonferenz klar.

Man brauche für besonders von der Coronakrise betroffene Branchen, allen voran in der Industrie und Produktion, eine neue Regelung. "Aber es ist jetzt nicht die Zeit, um eine generelle Arbeitszeitverkürzung zu verhandeln. Vollbeschäftigung ist das Ziel." Daher arbeite man daran, das Kurzarbeitsmodell an die verringerten Leistungsniveaus der Unternehmen anzupassen. Bis dato seien vor allem in Industrie und Anlagenbau Auftragsbestände abgearbeitet worden, jetzt bräuchten einige vermutlich bis in den Winter hinein, um wieder auf Auslastung zu kommen.

Qualifikation und Bildung

Für vielversprechender und wegweisender hält die Wirtschaft eine Kombination der Kurzarbeit mit Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Kurzarbeit müsse günstiger und leistbarer werden, das sei klar, sagte Mahrer.

Entlastung an dieser Front verkündete Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). Zum ersten Mal seit dem Höhepunkt der Coronakrise liegt die Zahl der Kurzarbeiter unter einer Million. Aktuell befinden sich 812.745 Menschen in 58.500 Firmen in Kurzarbeit. Es sind rund 326.000 Personen weniger in Kurzarbeit als in der Vorwoche – vorbehaltlich weiterer Anträge auf Verlängerung, die bis Ende Juni eingebracht werden können.

In Deutschland heißt es Kurzarbeitergeld, in Österreich Kurzarbeitsbeihilfe. Dahinter steckt dasselbe: Lohnsubventionen.
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Bis dato hätten 17.000 der insgesamt 110.000 Firmen Kurzarbeit für weitere drei Monate beantragt, so Aschbacher. "Viele Unternehmen sagen aber, es ist nicht mehr notwendig." Mitte Juni sei in vielen Betrieben die Kurzarbeit ausgelaufen, diese könnten bis Mitte Juli nachträglich um Verlängerung ansuchen.

Handel, Industrie, Gastro

Welche Branchen nicht mehr angemeldet haben und somit künftig auf Kurzarbeitsbeihilfe verzichten, war im Ministerium nicht in Erfahrung zu bringen. Man habe noch keine Auswertungen, beschied ein Sprecher.

Dem Vernehmen nach sind es Unternehmen aus Handel, Nahrungsmittelindustrie und Gastronomie, die sich auf dem Weg in Richtung Volllastbetrieb sehen.

Rückläufig, aber nicht so stark, sind die Arbeitslosenzahlen. Aktuell sind 422.765 Personen beim AMS als arbeitssuchend gemeldet, 47.611 Personen befinden sich in Schulungen. In Summe sind das 470.376 – um 10.520 weniger als in der Vorwoche. Im Vergleich zum Höhepunkt der Krise Mitte April ist das ein Rückgang von 118.000 Personen.

80 Prozent arbeiten, 90 Prozent Lohn

Hintergrund für Mahrers griffige Absage dürfte das "Modell 90 für 80" der Privatangestelltengewerkschaft sein. Dabei würde die Arbeitszeit auf 80 Prozent und vier Tage reduziert, das Gehalt aber nur auf 90 Prozent. Die Differenz müsste vier Jahre lang das AMS tragen. Das würde den Einstieg in eine Arbeitszeitverkürzung attraktivieren. Einzige Bedingung: Für die freiwerdende Zeit müsste eine neue Arbeitskraft aufgenommen werden.

Die Metaller wiederum brachten ihr Solidaritätsprämienmodell aufs Tapet, bei dem die Voest vor Jahrzehnten die Wochenarbeitszeit im Schichtbetrieb auf 32 Stunden reduzierte. Wurde gleichzeitig ein Lehrling oder Arbeitsloser angestellt, glich das AMS zwei Jahre lang einen Teil des Lohnverzichts aus. Danach sinkt das Einkommen (samt Zulagen) aliquot zur Arbeitszeit um zwölf Prozent. Bei den Jungen zahlte das AMS nichts zu, sie blieben auf Teilzeit.

"Zahlreiche Studien zeigen, dass kürzere Arbeitszeiten die Produktivität steigern", bekräftigte GPA-Chefin Barbara Teiber den Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung. (Luise Ungerboeck, 23.6.2020)