Die Replik lässt nicht lange auf sich warten: Im Burgenland hat man kein Verständnis, dass der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch (Grüne) Landeshauptmann Hans Peter Doskozil Versäumnisse in der Verkehrspolitik vorwirft. Rauch vergleiche "reihenweise Äpfel mit Birnen".

Ungefähr 550 Kilometer beträgt die Entfernung vom Neusiedler See zum Bodensee (Luftlinie). Eine Distanz, die offenbar dazu führt, dass die Urteilskraft eines Vorarlbergers Landespolitikers über die burgenländische Verkehrspolitik eher enden wollend ist. Nicht anders kann ich mir den Kommentar meines Amtskollegen aus dem Ländle, Johannes Rauch, vom 23. Juni im STANDARD erklären. Denn parteipolitische Polemik oder sogar Auftragsarbeit kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Auf jeden Fall werden in den Ausführungen aus Bregenz nicht nur reihenweise Äpfel mit Birnen verglichen, es werden bei der aktuellen Diskussion über ein 1-2-3-Ticket auch wichtige Details – bewusst oder unbewusst – unter den Tisch fallengelassen.

DAS Land der Pendler

Was sind die Fakten? Das Burgenland ist DAS Land der Pendler: Rund 100.000 Personen mit Hauptwohnsitz im Burgenland pendeln täglich. Davon haben 51.275 den Arbeitsort nicht im Burgenland. 25.195 Personen pendeln nach Wien, 16.888 nach Niederösterreich und 6894 in die Steiermark (Statistik Austria 2017). Allein diese Zahlen zeigen, dass die Herausforderungen im Burgenland deutlich andere sind – und sie widersprechen im Übrigen auch der Behauptung von Landesrat Rauch, in Vorarlberg würde mindestens genauso viel gependelt wie bei uns. Hinzu kommt: Die Siedlungsstrukturen von Vorarlberg und dem Burgenland sind nicht vergleichbar. Das Burgenland ist das ländlichste aller Bundesländer, sowohl in puncto Topografie als auch in Bezug auf die geringe Urbanisierung.

Streit ums 1-2-3-Ticket: Vorarlbergs Mobilitätslandesrat Rauch wirft Burgenlands Landeshauptmann Doskozil Versäumnisse vor. Das will man nicht auf sich sitzen lassen – und kontert.
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Wir lösen diese Aufgabe mit einem klugen Mix an Maßnahmen. So wurden in den letzten Jahren etliche Bahnhöfe modernisiert und Park-and-Ride-Anlagen ausgebaut. Weiters wird das in unserem Bundesland erfolgreiche Mikro-ÖV-System ausgeweitet. Seit März gibt es eine eigene Buslinie, die das Südburgenland und Graz verbindet. Ebenso wird seit vielen Jahren die Buslinie G1, die viele südburgenländische Pendler nach Wien bringt, sehr gut angenommen. Außerdem forciert das Land das Thema Alltagsradeln. In allen Bezirkshauptstädten wird ein Radbasisnetz etabliert.

Ausbau der Schiene

Wo es aktuell tatsächlich hapert, ist der Ausbau der Schiene im Burgenland. Und das deshalb, weil uns der Bund und die ÖBB links liegen lassen, wie Landeshauptmann Hans Peter Doskozil völlig zu Recht kritisiert hat. Seit Jahren liegen wir der ÖBB im Ohr, dass wir für unsere Pendler eine zeitgemäße und rasche Zugverbindung von Eisenstadt nach Wien brauchen. Denn mittlerweile sind wir das einzige Bundesland, in dem die Landeshauptstadt dermaßen schlecht mit der Bundeshauptstadt angebunden ist. Die letzten Gespräche mit der ÖBB sind Anfang des Jahres wie schon davor im Sand verlaufen. Zu teuer, so das Argument der Bundesbahn – die sich am gleichen Tag gerühmt hat, dass sie heuer 670 Millionen Euro in die Ostregion stecken. Dass kein einziges (!) Projekt auf burgenländischem Boden darunter ist, passt da nur allzu gut ins Bild.

Verteidigt Doskozil und sieht Ministerin Gewessler gefordert: Burgenlands Verkehrslandesrat Heinrich Dorner.
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Womit wir beim Thema 1-2-3-Ticket wären. Seitens des Burgenlandes haben wir immer gesagt, dass wir die Einführung des Tickets grundsätzlich positiv sehen – jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (Kostenfrage muss geklärt sein, Ausbau der Infrastruktur, Angebotsausweitung muss gedeckt sein etc.) und vor allem unter Einbindung der Länder. Diesbezüglich haben bereits am 11. Mai Wien, Niederösterreich und Burgenland einen gemeinsamen Brief an Verkehrsministerin Leonore Gewessler geschickt. Dabei wurde ein detaillierter Vorschlag zur Umsetzung des 1-2-3-Tickets unterbreitet und auch die Sorge darüber geäußert, dass das Bundesministerium für Klimaschutz Einzelgespräche führt, die lediglich auf die Einführung des 3er-Tickets abzielen. Bis heute gibt es keine Antwort auf diesen Brief der zuständigen Landesräte der drei Bundesländer der Ostregion – jener Region, die mehr als die Hälfte des öffentlichen Verkehrs in Österreich aufweist.

Einfach vorgeprescht

Stattdessen ist die Ministerin am 9. Juni am Rande einer Pressekonferenz zur AUA-Rettung mit einer angeblichen Einigung beim 1-2-3-Ticket vorgeprescht, ohne jedoch mit den Ländern auch nur ein Wort gesprochen zu haben. Genau diese Vorgehensweise ist es, die Landeshauptmann Doskozil und ich in einer Pressekonferenz angeprangert haben. Außerdem benachteiligt das 1-2-3-Ticket in dieser Form die burgenländischen Pendler massiv: Wenn ein Burgenländer aus Bruckneudorf oder Neudörfl nach Wien fährt, kostet ihn das 3er-Jahresticket künftig 1095 Euro; wenn ein Niederösterreicher aus Bruck oder Wiener Neustadt in die Bundeshauptstadt pendelt, kostet sein 2er-Ticket nur 730 Euro im Jahr.

In der Verkehrspolitik ist Gesprächsbereitschaft auf Augenhöhe statt Drüberfahren gefragt. Das müsste gerade einer grünen Verkehrsministerin bewusst sein. Und genauso sollte ein grüner Landesrat wissen, dass das Verteilen von Haltungsnoten für andere Bundesländer nicht jener politische Stil ist, den sich die Bevölkerung erwartet. Die Länder haben die Weichen für konstruktive Diskussionen über das 1-2-3-Ticket gestellt – jetzt ist die Ministerin am Zug! (Heinrich Dorner, 25.6.2020)