Schlappe Stars: Das US-Trio Khruangbin beweist auf seinem neuen Album erneut seine Klasse.

Foto: Dead Oceans

Aus dem Erscheinungsbild der Band ließe sich ein hübsches Logo bauen: zwei Perücken und eine Glatze. Die Perücken sind schwarz und von der Art, wie Cher wahrscheinlich ein paar Meter davon in einer diesbezüglich gewidmeten Villa aufbewahrt. Die Glatze gehört Donald Johnson, der wird nach seinen Initialen gerufen: DJ. Unter den Perücken spielen Laura Lee Bass, Mark Speer die Gitarre. Dieses Over- und Underhaired Trio hört auf den Namen Khruangbin und ist eine der besten neuen Bands da draußen. Wobei neu relativ ist.

Ihr 2018 erschienenes Album Con Todo El Mundo bescherte der Gruppe aus Texas den Durchbruch. Gerecht, aber erstaunlich. Denn die nach dem einem Thai-Wort für Flugzeug benannte Gruppe spielt weitgehend Instrumentalstücke. Zwar haucht Lee da wie dort ein paar Wörter, dabei geht es aber nur um Atmosphäre, nicht um eine Geschichte.

Aus dem Durchbruchsalbum Con Todo El Mundo.
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Dennoch ist die Musik dieser drei enorm einnehmend und erfreut sich einer wachsenden Fangemeinschaft, zu der der Hip-Hop-Mogul Jay-Z zählt, der die Combo über soziale Medien empfahl. Das zeigte Wirkung. Mittlerweile taucht die Musik von Khruangbin in TV-Serien auf, live hat sie als Backing-Band für den Wu-Tang Clan gespielt, und ihr diesen Freitag erscheinendes neues Album wird sie noch populärer machen: Es ist eine der herausragenden Arbeiten des Jahres.

Regionaler Geschmack

Das Werk heißt Mordechai und erweitert die Gefilde der Band vornehmlich um Gesang. Das kündigte sich schon im Februar an, als die EP Texas Sun erschien. Ein in der texanischen Hitze lasch aus dem Autofenster hängender Song nach regionalem Geschmack, also zart countryesk. Leon Bridges aus der Nachbarschaft lieh dem Song seine Stimme, er ist hauptberuflich Soul-Sänger.

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Der Country-Touch konveniert mit den Soundcollagen, die Khruangbin auszeichnen. Das Trio montiert seine Stücke mit Charakteristika aus Psychedelic, Easy Listening, Surf, Dub und dem Spaghetti-Western-Erbe des Großmeisters Ennio Morricone. Und dann setzt sich DJ ans Gerät.

Die Weite von Texas

Der Drummer zaubert über all das seine Beats aus der Schule von James Browns berühmtem Song Funky Drummer. Der dem Stück seinen Namen gebende Schlagzeuger Clyde Stubblefield galt als einer der besten seiner Art. Man möchte nicht widersprechen. Funky Drummer sampelte der Hip-Hop öfter als alles andere. Nur dass DJ ein fauler Willi ist. Er spielt so entspannt, wie es ein Titel wie Texas Sun evoziert. Wer die Weite von Texas kennt, versteht das sofort.

Aus derlei Zutaten haben Khruangbin auf Con Todo El Mundo schon reine Magie geschaffen, Mordechai wiegt nun stärker die Hüften und umarmt dabei die Musik des texanisch-mexikanischen Grenzlands. Das Lied Pelota ist so ein mit subtiler Eleganz auf den Tanzboden führender Song. Funky und ohne die üblichen Insignien des Texmex, aber dennoch klar zu verorten. Das ist nicht immer so.

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Denn die 2010 gegründete Gruppe bedient sich bei afghanischer oder iranischer Folklore ebenso wie beim Thai-Pop oder Funk, den DJ schon als Teenager absorbierte: In der Band hinter dem Gospelchor seiner Gemeinde drückte er stundenlang die Orgel, während vorne dem Herrn gehuldigt wurde. Bei Khruangbin schiebt er eine vergleichsweise ruhige Kugel, doch genau das scheint ein Geheimnis dieser Musik zu sein.

Instinktsicher

Sie ruht wie zenbuddhistisch in sich, verbietet sich Hysterie, Balz oder Marktgeschrei, ist im besten Sinne L’art pour l’art. Dabei ist sie so instinktsicher gespielt, dass aus den verwendeten Zutaten eine Musik entsteht, wie sie so noch nicht gehört wurde. Mit dem Gestus der Shoegazer, also eher introvertiert, ergeht sich das Trio in stimmungsbesoffenen Stücken, ohne sie zu überladen. Ein verschlafener Calypso hier, ein fußlahmer Funk dort, der Gesang wird immer noch sehr reduziert eingesetzt.

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Ihr Rezept sei ganz einfach, sagen die drei in Interviews. Bloß nicht zu viel wollen, dafür aus dem wenigen das Beste machen, das sei der Auftrag. Klappt ein Song einmal nicht mit den Mitteln, die ihm zugedacht sind, wird er entsorgt. Auf keinen Fall wird der Auftrag nachjustiert. Diese sture Vision wird seit Jahren in einem zum Studio umgebauten Stall im texanischen Irgendwo umgesetzt. Ein Rindvieh müsste man sein. Manchmal.

Mordechai bietet neben der Hausmarke mit Time (You and I) nun sogar einen Ausflug in die Disco und jede Menge beseelte Schleicher mit den Lidern auf halbmast. Der Vorgänger Con Todo El Mundo mag eine Spur konsequenter klingen, die behutsamen Versuche, es nun doch vielfältiger zu probieren, lassen Mordechai nur noch prächtiger erscheinen. Am besten im Doppelpack anhören. (Karl Fluch, 25.6.2020)