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Dies ist ein computergeneriertes, auszugsweises Transkript zu Testzwecken. Derzeit erwägen wir Möglichkeiten, wie und ob wir künftig ausgewählte Podcasts auch in schriftlicher Form anbieten können. Die Aufnahme ins reguläre Angebot hängt unter anderem vom Leserinteresse ab. Feedback zu diesem Angebot nehmen wir gerne im Forum entgegen!

Antonia Rauth [00:00:16] Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz musste heute vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Die Frage aller Fragen: Was wusste Kurz von den Vorgängen rund um die Ibiza Affäre? Was dazu bei der Befragung herausgekommen ist und wie es jetzt weitergeht, erklärt Rainer Schüller vom STANDARD.

Antonia Rauth [00:00:33] Rainer, Österreichs Bundeskanzler musste sich heute den Fragen des Ibiza-Untersuchungsausschusses stellen. Ist es ungewöhnlich, dass der Regierungschef vor einem solchen Gremium aussagen muss?

Rainer Schüller [00:00:44] Es ist nicht ungewöhnlich in diesem Fall. Der U-Ausschuss beschäftigt sich ja nicht nur mit Ibiza, sondern es geht ja tatsächlich insgesamt um die mutmaßliche Käuflichkeit der türkisblauen Bundesregierung. Heute war die Farbe Türkis im Fokus. Sebastian Kurz war Kanzler dieser Regierung, und insofern ist es mehr als angebracht, dass er hier als Auskunftspersonen geladen wurde. Denn wer, wenn nicht er als Regierungschef, müsste wissen, was sich damals abgespielt hat?

Antonia Rauth [00:01:14] Bei seinem Eingangsstatement hat Kurz heute ja wiederholt betont, dass er selbst nicht auf Ibiza war. Warum war er dann eigentlich vor den U-Ausschuss geladen?

Rainer Schüller [00:01:22] Es ging ja heute nicht um die Destinationen oder die Urlaubsziele von Sebastian Kurz. Sondern es ging um die seltene Gelegenheit, dass der Ex-Kanzler und Wieder-Kanzler zu allen Vorkommnissen rund um die Vorgängerregierung befragt werden kann. Es wurde versucht, gleich mehrere Themen abzuhandeln. Nicht nur die SPÖ und die Neos erhofften sich heute Aufklärung, sondern auch der Expartner von Kurz die FPÖ und der jetzige Partner, die Grünen, wollten wissen, was der Kanzler weiß.

Es ging neben Ibiza und SMS-Verkehr zwischen Strache und Kurz auch um Postenschacher-Vorwürfe. Konkret um die heftig umstrittene Personalentscheidung des Casinos Finanzvorstand Postens Peter Siedler, der aus dem blauen Umfeld kommt. Hier gibt es auch brisante Vorwürfe gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger aus dem Team Kurz. Es ging auch um Thomas Schmid, den Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, der ja auch aus dem türkisen Umfeld kommt. Und rund um diese Personalentscheidungen vermutet die Opposition Korruption und Postenschacher im Glückspielbereich, wo auch ermittelt wird. Thema waren auch die Spenden an die ÖVP und die sogenannte Shredder-Affäre, bei der es darum geht, dass ein Mitarbeiter des Kanzlers Druckerfestplatten unter einem falschen Namen schreddern hat lassen.

Antonia Rauth [00:02:45] Spannend ist ja, dass jetzt im Laufe der Untersuchungen immer mehr die ÖVP und nicht die FPÖ ins Zentrum der Untersuchung gerückt ist. Ist das denn eigentlich vonstatten gegangen?

Rainer Schüller [00:02:55] Ich würde sagen, dass eigentlich beide Parteien im Zentrum der Befragungen stehen und auch stehen müssen, was ja auch Sinn macht, weil es damals schließlich keine Alleinregierung gegeben hat, sondern es gab eine Koalition. Und diese Koalition wurde angeführt von Sebastian Kurz.

Antonia Rauth [00:03:12] Die Befragungen des Kanzlers ist mit viel Spannung erwartet worden. Sind seine Antworten im Untersuchungsausschuss dem Heute gerecht geworden?

Rainer Schüller [00:03:20] Insgesamt hat Kurz sehr viele Vorwürfe gegen sich und gegen seine Partei, die ÖVP, von sich und von seiner Partei gewiesen. Zum Ibiza-Video hatte er schon in seinem Eingangsstatement gemeint, er war da nicht dabei. Und er habe das auch dementsprechend nicht mitbekommen, was da passiert ist.

Zu den ganzen Personalentscheidungen meinte Sebastian Kurz, dass es Hunderte an der Zahl gegeben habe und dass er selbst dieses System, womit er wohl meinte, dass alle Parteien bei Personalentscheidungen bedient werden, nicht erfunden habe. Er findet selbst, dass dieses System Schwächen habe, aber dass es eben in Österreich kein anderes gebe und man ebenso Personalentscheidungen treffe. Er hat sich strikt gegen generelle Anpatzversuche verwehrt und hat auch gemeint, dass, wenn bei solchen Personalentscheidungen illegale Zuwendungen geflossen seien, dann sei das natürlich ein Verbrechen, und sei auch Sache der Justiz.

Zur Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo hat Kurz nur kurz erklärt, dass er diese quasi nicht mitbekommen habe. Dass er diese erst wirklich am Radar gehabt habe, als sie in den Medien kursiert ist. Da hoffe ich auch, dass Sebastian Kurz den STANDARD diesbezüglich sehr genau gelesen hat, weil wir sehr viel drüber berichtet haben. Und er hat auch festgehalten, dass er sich nie für Sidlo stark gemacht habe. Er habe auch nie mit einem Casinos Aufsichtsrat gesprochen, geschweige denn interveniert.

Bei der zweiten umstrittenen Personalie, die heute auch Thema war, geht es um Thomas Schmid. Da hat Kurz erklärt, dass er Thomas Schmid seit zehn Jahren kenne. Hat aber betont, dass er mit diesem nie gemeinsam auf Urlaub gewesen sei, wie es kolportiert worden ist. Und sich auch nicht erinnern könne, sich für Thomas Schmid oder für diese Postenbesetzungen eingesetzt zu haben.

Zu den Spenden an die ÖVP, die heute auch großes Thema waren, hat Kurz festgehalten, dass alles gesetzeskonform passiert sei. Und er hat sich zum Teil auch bei diesen Spendern bedankt und hat auch erklärt, dass sich diese keine Zuwendungen zu erwarten haben. Er hat auch gemeint, dass die ÖVP grundsätzlich von den Branchen Glücksspiel oder Waffenhersteller keine Spenden angenommen hätte. Er dementierte auch, dass die ÖVP von der Novomatic Spenden bekommen habe. Er selbst sei aber nicht unglücklich, dass die neue Gesetzeslage diese Spenden jetzt auch nicht mehr ermöglicht, weil für ihn damit "das mediale Theater" beendet sei.

Antonia Rauth [00:06:09] Vorab wurden ja auch Chat-Verläufe von Kurz und seinem damaligen Vizekanzler Strache bekannt. Die Nachrichten, die sie sich kurz vor der Veröffentlichung des Videos geschrieben haben. Haben diese Chat-Verläufe Kurz heute vor dem U-Ausschuss in Bedrängnis gebracht?

Rainer Schüller [00:06:23] Ich denke nicht. Wenn, dann haben sie ihm vielleicht sogar Futter dafür gegeben, dass die ganze Affäre nicht von der ÖVP ausging, sondern von der FPÖ. Spannend war aber schon, dass Kurz darüber Auskunft gegeben hat, wie oft Strache ihm SMS-Nachrichten geschickt hat. Er hat gemeint, dass er sehr viele von seinem Vizekanzler bekommen habe und dass diese Nachrichten manchmal im Schwall gekommen seien. Wenn man jetzt bedenkt, dass der SMS-Verkehr, der jetzt vor kurzem öffentlich geworden ist, nur ein kleiner Ausschnitt ist, dann wär es schon spannend zu wissen, was da noch alles besprochen wurde.

Antonia Rauth [00:07:04] Abgesehen von diesen kleinen Ausschnitten aus den Chat-Verläufen gibt es ja eigentlich nichts Dokumentiertes von Sebastian Kurz aus dieser Zeit oder nur sehr wenig. Also keinen Kalender oder so etwas. Wie hat Kurt sich heute dafür gerechtfertigt?

Rainer Schüller [00:07:19] Heute war auch spannend, dass Kurz gemeint hat, dass seine eigenen SMS, dass er die nicht öffentlich machen könne, weil er diese entweder selbst immer löscht oder von seiner Assistenz gelöscht werden. Er glaube aber grundsätzlich nicht, dass darunter relevante Informationen für den U-Ausschuss seien. Der Opposition hat diese Antwort aber nicht wirklich gereicht, sie sieht das freilich anders und ist weiterhin sehr daran interessiert, wie sich Kurz damals unterhalten hat, und drängt hier weiterhin auf Auskunft. Ich denke, dass da noch spannende Fragen kommen könnten.

Antonia Rauth [00:07:55] Wie schätzt du diese Rechtfertigungen des Kanzlers ein? Ist das glaubwürdig?

Rainer Schüller [00:07:59] Das ist schwierig einzuschätzen, nachdem man nicht weiß, um welche SMS es gehen könnte. Neben den Nachrichten geht es auch um den Terminkalender des Kanzlers, der bis jetzt auch noch nicht wirklich öffentlich ist. Deshalb, fürchte ich, weiß im Moment nur Sebastian Kurz oder sein wirklich enges Umfeld, wie glaubwürdig das ist oder nicht.

Antonia Rauth [00:08:19] Die alles entscheidende Frage ist ja im Grunde: Wie viel wusste kurz über die Vorgänge rund um die Ibiza Affäre? Sind wir der Antwort auf diese Frage heute einen Schritt näher gekommen?

Rainer Schüller [00:08:28] Ich glaube eigentlich nicht, weil Kurz die meisten Vorwürfe von sich gewiesen hat. Am spannendsten war vielleicht die direkte Konfrontation mit der FPÖ, wo der Vertreter der FPÖ, der Herr Hafenecker Kurz gefragt hat, warum er dazu nicht Auskunft geben kann? Kurz ist da wirklich sehr offensiv geworden und hat gemeint, dass ihm bald der Kragen platzen würde, wenn die FPÖ jetzt da weiterbohrt, sozusagen. Und das war vielleicht ein Zeichen dafür, dass Kurz auch hier mit seiner Tonalität zeigen wollte, dass für ihn die FPÖ schuld an dieser ganzen Misere und dieser ganzen Affäre ist. Ob das wirklich so ist, das wird sich erst im Lauf der weiteren Termine zeigen.

Antonia Rauth [00:09:16] Also hat man schon gemerkt, dass der Kanzler sehr unter Druck steht in der jetzigen Situation.

Rainer Schüller [00:09:20] Ja. Aber er war wie immer sehr gut vorbereitet und hat die Fragen geduldig beantwortet, ist aber nicht oft sehr ins Detail gegangen und hat sich auch oft an Dinge nicht erinnern können, wie beispielsweise an gewisse Treffen oder Telefonate. Und er hat beispielsweise zur sogenannten Schredder-Affäre nur kurz erklärt, dass er glaube, dass es dazu keine formale Anordnung gegeben habe. Und er hat gemeint, dass für ihn diese Affäre quasi erledigt sei, weil die Ermittlungen ja eingestellt worden sind. Dennoch glaube ich, dass dann noch einige Fragen offen sind, was auch diese Affäre betrifft.

Antonia Rauth [00:10:01] Was sich seit dem Start des U-Ausschusses gezeigt hat: Die ÖVP schreckt nicht davor zurück, auch Mitglieder des Ausschusses anzugreifen. Beispielsweise die Neos-Abgeordnete Krisper. Da hat die Volkspartei ja gefordert, deren Arbeit im Ausschuss zu überprüfen, da dieser staatsfeindlich sei. Wie erklärst du dir denn dieses aggressive Verhalten?

Rainer Schüller [00:10:20] Ich glaube, dass da schon vorgearbeitet wurde, und zwar mit dem Ziel, dass man sozusagen die Fragensteller in ein schlechtes Licht rücken wollte. Und deswegen gab es diese fast aggressive Attacke in Richtung Neos. Ich finde, dass es richtig und wichtig war von Seiten der Neos, dass diese sich nicht aus dem Konzept bringen haben lassen und weiterhin harte Fragen gestellt haben. Das hat sich auch heute gezeigt, wo die Abgeordnete Krisper sehr, sehr kritische Fragen gestellt hat. Was ja auch Sinn des U-Ausschusses ist.

Antonia Rauth [00:10:54] Die Befragung des Kanzlers heute war ja einer der am meisten erwarteten Momente der Untersuchung. Wie gehts für Kurz jetzt den weiter? Denkst du, er und die ÖVP sind aus dem Schneider oder geht es jetzt erst richtig zur Sache?

Rainer Schüller [00:11:04] Ich denke, dass es noch viele offene Fragen gibt, wenn man nur an die sogenannte Schredder-Affäre denkt, wenn man an die ganzen Parteispenden denkt, wenn man die sogenannte Postenschacher-Affäre denkt. Heute wurde nur wenig beantwortet. Ich glaube auch nicht, dass die Opposition jetzt locker lassen wird. Ich glaube, dass es noch sehr ins Detail gehen könnte und sollte. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir alles Weitere im in den kommenden Live-Tickern des STANDARD bzw. mit unserer Berichterstattung und Kommentierung erfahren werden.

Antonia Rauth [00:11:43] Da bin ich mir auch sicher. Vielen Dank für diese Einschätzung, rainer Schüller!

Rainer Schüller [00:11:47] Sehr gerne. (red)