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Wenn man Karl Aiginger fragt, wie "grün" die Wirtschaft in Österreich schon ist, dann hört er für sehr lange Zeit nicht mehr auf zu reden auf. Der Ökonom war bis 2016 Chef des Wifo, des wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstituts des Landes. Jetzt leitet er das Policy Crossover Center, eine Denkfabrik. Ökologie und Wirtschaft seien kein Widerspruch, sagt Aiginger, im Gegenteil: Wer früh Technologien entwickle, könne sie dann teuer in die Welt verkaufen. In Österreich sieht er einen tiefen Wandel, ob bei großen Konzernen, der Wirtschafts- oder der Arbeiterkammer. Ökologie sei jetzt Mainstream.

Die Landwirtschaft ist ein großer Treibhausgasemittent – und hat noch zu wenig auf den Klimawandel reagiert, wenn es nach Karl Aiginger geht.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

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STANDARD: Sie beschäftigen sich seit 30 Jahren damit, wie man Wirtschaft und Umwelt auf einen Nenner bringen kann. Wie beobachten sie die Entwicklung in Österreich?

Aiginger: Es geht jetzt endlich in die richtige Richtung. Sowohl in Österreich, als auch mit dem Green Deal in Europa oder mit dem Verweigern einer Abwrackprämie in Deutschland. Gerade die Konjunkturpakete muss man für Klimapolitik nutzen. Nicht eine Autobahn bauen, die in drei bis fünf Jahren fertig ist, sondern noch heuer Heizungen austauschen. Es müsste weiter gehen, jede Tankstelle, jede Garage braucht ein paar Ladestellen für Elektroautos. In Griechenland garantiert die Regierung, dass der Kauf eines E-Autos billiger ist als der eines Verbrenners. Das geht jetzt in fast allen Ländern so, mit einigen Ausnahmen wie den USA oder Brasilien, wo es Gegenbewegungen gibt.

STANDARD: Was heißt das für die Wirtschaft?

Aiginger: Das ist die nächste große Erkenntnis, nämlich das Vorreiter in der Klimapolitik zu sein kein ökonomischer Nachteil ist. Man entwickelt zuerst eine Technologie, kann sie dann weiterverkaufen. Als Technologieführer ist man in der Kostenkurve auch am schnellsten unten. Mittlerweile ist das auch unter Ökonomen klar. Früher hat es immer geheißen, was darf uns Klimaschutz kosten? Jetzt geht es um gesünderes Wachstum.

STANDARD: Sie haben das also Wifo-Chef immer vorgebetet, jetzt ändert sich in kurzer Zeit sehr viel. Dank Fridays for Future?

Aiginger: FFF hat das breitenwirksam gemacht, die Millenials, die ja schon etwas älter sind, steigen ein und auch die ältere Generation hat heute schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich einen Diesel oder Benziner kauft und mit Öl heizt. Aber auch viele Firmen tragen dazu bei. Sogar der Ölkonzern Shell will klimafit werden. Selbst Anleger. Das sind nicht Jugendliche, sondern deren Eltern und Großeltern, und die verlangen nachhaltige Fonds. Derzeit sind in diesen Fonds noch zwei Drittel nicht nachhaltig, aber das ist eine andere Geschichte. Auch die Arbeiterkammer war sich nie so sicher, ob das Grüne nicht was schlechtes ist und ist jetzt klar dabei. Genauso die Wirtschaftskammer. Allen ist klar, wir müssen etwas tun und das ist nicht schlecht, sondern gut für Wirtschaft und Arbeitsplätze.

STANDARD: Sie sagen, Sie wünschen sich mehr. Was denn?

Aiginger: Der Lkw-Verkehr ist ein Problem, da muss man Emissionen bepreisen, damit der Markt wirkt. Die Bahn bleibt heute noch an jeder Grenze stehen, der Güterverkehr ist daher mit Lkw auch noch schneller. Das darf nicht sein. Wir müssen schauen, wie wir bei Lkws den Umstieg auf Wasserstoff schaffen. Es braucht eine starke Förderung dafür und Tankstellen. Verbrenner gehören schrittweise aus den Städten verbannt. Jedem der einen Verbrenner kauft, muss klar sein, dass man den nicht mehr beliebig in den Innenstädten verwenden kann. ÖAMTC und Arbö müssen ihren Mitgliedern klar machen, dass man den Verbrenner in fünf Jahren nicht mehr zu einem ordentlichen Preis verkaufen kann. Niemand wird daran gehindert, ihn sich zu kaufen, aber dann darf man nicht jammern.

STANDARD: Also der Verkehr.

Aiginger: Ja, das nächste ist das Fliegen. Wir wissen, das Flugzeuge mit etwas anderem als Kerosin fliegen können. Es braucht sofort eine europäische Kerosinsteuer, Europa muss auch seine Partner dazu bringen, damit dann nicht alle in Russland landen. Auch mit den arabischen Ländern gehört das ausgemacht. Österreich kann da mit der EU Vorreiter sein, ich weiß nicht, ob die Alternative Biosprit sein wird oder etwas anderes. Auch die Kurzflüge, zum Beispiel von Salzbug nach Wien, sind ein Unsinn, die werden sich aufhören, weil sie so teuer werden oder sogar verboten. Das mit den Anschlussflügen ist kein Problem, wenn es einen schnellen Zug gibt, der einen nach Salzburg bringt. Auch mit Graz und Klagenfurt ist das so eine Sache, alle sagen, das wird einfacher, wenn es den Koralmtunnel gibt. Auf den können wir nicht warten, das sind zehn Jahre!

STANDARD: Und die Landwirtschaft?

Aiginger: Die ist ein großer Emittent von Treibhausgasen und hier gibt es fast gar keine Programme, Traktoren, Anbaumethoden, das ist alles nicht klimaneutral. Dabei ist die Landwirtschaft die größte Ausgabenposition der EU. Was wir da fördern ist ein historischer Blödsinn, das wurde gemacht, damit die Landwirte nicht verhungern. Wenn wir schon so viele Förderungen ausbezahlen, dann muss das verbunden werden mit Bio-Anbau, kein Pestizideinsatz, wenig Düngemittel. Alles Sachen, die bisher nicht gegangen sind.

STANDARD: Wie schaut's mit dem Wohnbau aus?.

Aiginger: Es darf kein Haus mehr gebaut werden ohne Photovoltaik-Anlage am Dach. Wenn es irgendwo nicht geht, okay, gibt es eine Ausnahme. Es muss erlaubt sein, dass man dem Strom auch dem Nachbar entgeltlich zur Verfügung stellt, das kommt jetzt mit den Energiegemeinschaften, das hat auch lange gebraucht. Die Sanierung von Häusern muss schneller gehen, es braucht eine Sanierungsrate von fünf Prozent. Neue Büros müssen so gebaut werden, damit sie klimaneutral sind oder sogar Negativemissionen haben. Manches davon kann man sehr schnell machen und jetzt ist Geld da, das es in ein bis zwei Jahren vielleicht nicht mehr gibt. Wir sehen jetzt auch, wir müssen nicht mehr fünf Tage die Woche ins Büro pendeln. Die ganze Zeit daheim ist nicht ideal, aber jeden Tag ins Büro auch nicht. Man kann etliches auch im ländlichen Raum machen, das ist gut für die Entwicklung dort.

STANDARD: Die ökosoziale Steuerreform kommt erst. Was braucht es da?

Aiginger: CO2 muss einfach sehr viel teurer werden. Viele Investitionen kann man jetzt in der Krise schnell machen, anderes muss man langsamer gestalten. Sonst hat man den Gelbwesten-Effekt. Es gibt auch noch immer vier bis fünf Milliarden Euro an indirekten fossilen Subventionen in Österreich. Gemeinsam mit den falschen Förderungen für die Landwirtschaft sind das zwei riesige Brocken. Die Pendlerpauschale sollte nicht für große fossile Autos gelten, wenn es eine Möglichkeit gibt, mit der Bahn zu fahren. Besserverdiener brauchen das überhaupt nicht. Auch die niedrigen Gebühren für Flughäfen sind eine Subvention. Reduziert man diese Subventionen, hätten wir viel Geld für neue Technologien, für Gesundheit bis Windtechnologie, ohne dass wir die Steuern erhöhen müssten.

Wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat, melden Sie sich für den Newsletter an. Ich schreibe Ihnen, wenn im Rahmen der Serie ein neuer erscheint. (Andreas Sator, 28.6.2020)