Fasziniert von alten Aufzügen: Christian Tauß macht sein Hobby gerade zu seinem Beruf. Die Kabine, in der er hier fürs Foto Platz genommen hat, ist jetzt im dritten Bezirk zu sehen.

Foto: Andy Urban

Alte Hinweis- und Firmenschilder

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Wertheim, Stigler, Freissler – alles renommierte Aufzugfirmen im Wien der Jahrhundertwende, allesamt heute längst verschwunden. Einzig die Firma Füglister gibt es noch.

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In der Werkstatt im 20. Bezirk werden die alten Aufzüge von Tauß und seinem fünfköpfigen Team restauriert.

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Nun will Christian Tauß ein Aufzug-Café in Wien eröffnen.

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Das Gebäude stammt aus den 1960er- oder 1970er-Jahren, doch die Aufzüge darin sind gut doppelt so alt: Wer Christian Tauß in seiner kleinen Werkstatt in Wiens 20. Bezirk besucht, erlebt eine etwas paradoxe Reise in die Vergangenheit. Zu sehen sind dort einige Aufzugkabinen aus der Wiener Gründerzeit, zahlreiche ausgebaute Knopfplatten, alte sowie auch ganz neu restaurierte Sitzbänke und eine Vielzahl an Messingschildern von Firmen, die es schon lange nicht mehr gibt.

Christian Tauß, 34-jähriger Wiener, gelernter Elektrotechniker, ist nämlich nun Aufzugsammler, seit fast zehn Jahren. So lange ist es schon her, dass er seine erste Kabine einheimste. Heute hat er 15 Stück. Ein paar davon sind in der Werkstatt seines "Wiener Aufzugmuseums" zu sehen, die meisten davon lagert er aber in einer Halle in Orth an der Donau.

Traumatisches Erlebnis

Begonnen hat Tauß’ Leidenschaft im Jahr 2009. Damals war er zu Gast in einem Haus mit einem Aufzug aus dem vorvorigen Jahrhundert, der noch klaglos funktionierte. Die Messingdruckknöpfe beeindruckten ihn schwer, ebenso die fein gearbeitete Holzvertäfelung. Die fast lautlos schwebende Reise nach oben erstaunte ihn.

Als er einen Monat später wieder in das Haus kam, war der Aufzug plötzlich weg, erzählt Tauß dem STANDARD. "Brutal rausgerissen, mit Vorschlaghammer und elektrischem Fuchsschwanz", so hätten es ihm entrüstete Bewohner danach geschildert. Das war für ihn geradezu "ein traumatisierendes Erlebnis".

Ein Hobby war geboren. Oder vielmehr eine Mission, eine Berufung: alte Wiener Aufzüge vor dem Verschwinden zu retten.

"Halblegale" Fototouren

Zunächst nur fotografisch. Er klapperte die alten Häuser Wiens ab, ging auf Spurensuche, machte hunderte Fotos von Aufzügen, um sie zu dokumentieren. Dabei fiel ihm auf, dass sie alle ihre Eigenheiten hatten, je nach Hersteller, die er dann allesamt kennenlernte: Wertheim, Stigler, Freissler, Petravic – alles renommierte Aufzugfirmen im Wien der Jahrhundertwende, allesamt heute längst verschwunden.

Bei diesen Fototouren bewegte er sich zuweilen "im halblegalen Raum", gibt er zu, denn manchmal passierte das auch ohne Wissen der Hauseigentümer.

"Nach und nach wurde mir klar: Kaum jemand interessiert sich für die alten Aufzüge. Wird einer erneuert, dann wird der alte einfach entsorgt." Lektüre oder Dokumentationen über die alten Wiener Aufzüge gebe es kaum.

"Der kommt aber weg"

Eines Tages im Jahr 2011 traf er bei einer seiner Fototouren tatsächlich auf eine Hauseigentümerin. Er erklärte ihr, was er hier tue, dass er ihren Aufzug fotografieren wolle. "Der kommt aber weg", war ihre kurze Antwort. Der Dachbodenausbau des Hauses in der Schikanedergasse sei schon fertiggeplant und beginne in Kürze.

"Da haben bei mir natürlich gleich alle Alarmglocken geschrillt", sagt Tauß rückblickend. Rasch wurde man sich einig: Der junge Enthusiast durfte die Kabine haben, die die Hausbesitzerin ohnehin weggeschmissen hätte.

Gemeinsam mit einem Freund und ein paar Bauarbeitern des Hauses baute er die Kabine aus und in dem kurzfristig organisierten Lagerraum in Orth an der Donau wieder zusammen.

"Nicht der schon wieder!"

Mittlerweile hat er das schon weitere 14 Mal gemacht und kennt nicht nur die alten Wiener Aufzüge, sondern auch so manche Mitarbeiter von Abrissfirmen schon recht gut. Ein lachendes "Nicht der schon wieder!" bekommt er dann manchmal zu hören, wenn er ein "verdächtiges" Haus betritt.

Restauriert werden die alten Kabinen heute in der Werkstatt im 20. Bezirk, mittlerweile auch von seinem fünfköpfigen Team an Mitstreitern. Auch manche Sitzbankpolsterung wurde hier schon erneuert. Um dabei so nahe wie möglich an das Original heranzukommen, hat Tauß diverse Kurse absolviert, etwa über das Polstern und über die Oberflächenbehandlung von Holz. Um sich das Hobby leisten zu können, hat er sich sogar in seinem eigenen Wohnen reduziert: Im Vorjahr bezog er ein kleines Zimmer in einer WG.

Ein verkleideter Paternoster aus 1914

Der Aufbau der Sammlung sei nun aber weitgehend abgeschlossen, sagt Tauß. Klar, ein oder zwei Kabinen, von deren Existenz er weiß, hätte er schon noch gerne – falls sich bei den betreffenden Häusern "was tut", das heißt, falls deren Eigentümer sich dazu entscheiden, den Lift zu erneuern. Regelmäßig checkt er die Lage.

Besonders interessant sind für ihn Personenaufzüge aus der Zeit vor 1914, die schon vor langer Zeit stillgelegt wurden – also etwa in den 1940er- oder 1950er-Jahren. "Da ist nicht nur die Kabine, sondern auch die gesamte Technik noch original erhalten."

Mittlerweile kommen die Aufzüge aber auch zu ihm: Vor kurzem informierte ihn das Urban-Mining-Unternehmen Baukarussell darüber, dass im ehemaligen Direktionsgebäude der Wiener E-Werke in der Mariannengasse ein alter Paternoster zu haben ist. Das Gebäude wird von der Bundesimmobiliengesellschaft gerade zum Med-Uni-Campus Mariannengasse umgestaltet, das Baukarussell führt den sanften Rückbau durch. Beim Ausbau des Paternosters stellte sich heraus, dass hinter der Vertäfelung aus den 1970er-Jahren noch die originale von 1914 erhalten war. Tauß sicherte sich das Portal und zwei Kabinen. Weitere sechs Kabinen stehen noch zum Verkauf (baukarussell.at).

Aufzug-Café als nächstes großes Ziel

Sein nächstes Projekt ist nun ein Aufzug-Café: ein kleines, aber feines Kaffeehaus, in dem man in einer seiner prachtvollen Liftkabinen sitzend eine Melange genießen kann. Dafür gibt Tauß gerade seinen Job in einem Familienbetrieb auf und ist dabei, ein Unternehmen zu gründen. Die Befähigungsprüfung zum Gastronomen hat er bereits erfolgreich absolviert, "dank Corona-Krise war ausreichend Zeit zum Lernen".

Jetzt sucht er nach geeigneten Räumlichkeiten. Recht viel mehr als 50 Quadratmeter sollten es nicht sein, denn es soll zumindest am Anfang ein Ein-Mann-Betrieb bleiben. Bis Ende des Jahres will er ein passendes Lokal gefunden haben, bevorzugt natürlich in einem Gründerzeithaus in einem der Wiener Gründerzeitviertel. Dann wäre die Zeitreise ins Wien der Jahrhundertwende perfekt. (Martin Putschögl, 26.6.2020)