Lars (Will Ferrell) und Sigrit (Rachel McAdams) und ihr Wikinger-Trash-Disco-Stampfer "Volcano Man".

Foto: Netflix

Die Stimmung im Saal kocht bei Niedergartemperatur. Leider beschränken sich die Freizeitaktivitäten im isländischen Fischerdorf Húsavík am Wochenende auf Komasaufen, uneheliches Kindermachen, beides – oder darauf, dem schlechten Wetter dabei zuzusehen, wie es jetzt zwischendurch so richtig grauslich wird. Willkommen im Klischee!

Beim Konzert der mehr geduldeten als beliebten lokalen Band Fire Saga stößt die noch bei jedem Auftritt gestellte Frage von Sänger Lars Erickssong (Will Ferrell!!!), ob das Publikum denn nun endlich das Lied hören wolle, mit dem Lars und seine Partnerin Sigrit (Rachel McAdams) irgendwann als Erfüllung ihres Lebenstraums beim Eurovision Song Contest gewinnen wollen, auf die einzig schlüssige Antwort: "NEIN!!!"

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Will Ferrell gibt diesen naiven, aber herzensguten Verlierer Lars Erickssong so souverän, wie Will Ferrell alle seine Rollen anlegt. Sei es als Rennfahrer Ricky Bobby, als Nachrichtenmoderator in Anchorman, als "etwas anderer Cop" in Etwas andere Cops, als Eurodance-Lackaffe in der sträflich unterbewerteten Discotrash-Perle A Night at the Roxbury oder als Kufensau im Eiskunstlauf-Problemfilm Die Eisprinzen: Will Ferrell gibt einen für das Leben außerhalb seiner eigenen Traumwelt hoffnungslos ungeeigneten Tor.

Der glaubt dann auch noch, trotz aller unterdurchschnittlich vorhandenen Talente besondere Fähigkeiten zu besitzen. Das tut er nicht. Richtig schwer gestaltet sich das Leben seiner Protagonisten allerdings dadurch, dass die Figuren frei von jedem Selbstzweifel durchs Leben tapsen.

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Wie man nun auch wieder in seiner Netflix-Komödie Eurovision Song Contest – The Story of Fire Saga mit großem Vergnügen und um Gottes willen nur in der Originalfassung mitverfolgen kann, ist der US-Komiker fernab jedes Oscar-Verdachts nicht in die Filmwelt gekommen, um didaktische Ansätze zu verbreiten. Wir sehen in seinem von Saturday Night Live heraufreichenden Schaffen keine Coming-of-Age-Brachialkomödien, an deren Ende ein geläuterter Held gescheiter und reifer geworden wäre.

Will Ferrell umarmt das Publikum mit all seiner Liebe für das Scheitern, um ihm letztlich eines zu zeigen: Auch wenn alles gut ausgeht, Durchschnitt bleibt Durchschnitt. Patschert und deppert sind nicht heilbar: "My dick is like a Volvo. Comfortable, solid, but you don’t turn your head."

Nachdem Lars und Sigrit trotz sämtliche Geschmacksgrenzen sprengender Songcontest-Perlen wie Volcano Man oder Double Trouble aufgrund des plötzlichen Unfalltods sämtlicher isländischer Mitkonkurrenten schließlich nach all den Jahren doch noch zum Songcontest fahren dürfen, ist das Fiasko vorprogrammiert.

Beherzt dilettantisch

Solch grandios schieflaufende Bühnenauftritte hat man das letzte Mal gesehen, als in den 1990er-Jahren der Ostblock in den Wettbewerb rammte und beherzten Dilettantismus praktizierte. Wie wird Lars zu seinem zwölfjährigen Drummer nach der Katastrophe namens Semifinale sagen: "Remember, give up all your dreams while you’re still young!"

Unter der Regie von David Dobkin (Wedding Crashers) bleibt Will Ferrell auf seinem aktuellen Kurs Richtung Altersmilde. Wer von ihm Die Eisprinzen kennt, hat Eurovision Song Contest schon weitaus schneidiger gesehen. Allerdings: 1. Die Lieder Lions of Love und Jaja Ding Dong! 2. Hey, Leute, Will Ferrell!!! (Christian Schachinger, 26.6.2020)