Die Volte des deutschen Innenministers Horst Seehofer in der Causa "Anzeige gegen eine polizeikritische "Taz"-Autorin" wird in Berlin so etikettiert: ein echter Horst! Und: wieder mal ein "Drehhofer".

So geärgert hatte sich der CSU-Politiker über eine Satire in der "Tageszeitung", in der Polizisten mit Müll auf eine Stufe gestellt werden, dass er Strafanzeige erstatten wollte. Davon nahm er nun doch Abstand, und das ist auch gut so.

Schon klar, dass sich Seehofer als Innenminister hinter die Polizei stellen muss. Aber er ist auch Verfassungsminister. Zwei Seelen wohnen also, ach, in seiner Brust.

Des deutsche Innenminister Horst Seehofer stellt sich hinter die Polizei.
Foto: imago/Stefan Boness

Da hat er zunächst mal kurz vergessen, dass das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit im Grundgesetz verankert ist. Und er hat wohl nicht daran gedacht, dass das Verfassungsgericht 1995 das Zitat von Kurt Tucholsky "Soldaten sind Mörder" als zulässige Meinungsäußerung einstufte.

Man muss Seehofer in einem Recht geben: Der "Taz"-Text ist tatsächlich ziemlich unsäglich und eine plumpe Verunglimpfung auf unterstem Niveau. Aber Meinungs- und Pressefreiheit besagt eben, dass man auch schlechte Satire aushalten muss.

Das hat Seehofer, nach einem offenbar mehr als dezenten Hinweis von Kanzlerin Angela Merkel, dann auch eingesehen. Er will jetzt über Verrohung der Sprache reden. Reden ist immer gut. Erst denken und dann reden wäre in diesem Fall überhaupt am allerbesten gewesen. (Birgit Baumann, 25.6.2020)