Es ist eines jener brisanten Themen, die von der Corona-Krise völlig aus der öffent lichen Wahrnehmung gedrängt worden sind: die Fusion der Krankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und die damit zusammenhängende Machtverschiebung in Österreich.

Nikolaus Dimmel, Klaus Schmid, "Selbstverwaltung – Die demokratische Organisation der sozialen Daseinsvorsorge". € 29,90 / 240 Seiten. ÖGB-Verlag, Wien.
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Die ÖGK hat mit 1. Jänner dieses Jahres offiziell ihre Tätigkeit aufgenommen. Der Jurist Nikolaus Dimmel (Universität Salzburg) und der Sozialwissenschafter Tom Schmid (FH St. Pölten) haben knapp vor diesem historischen Datum einen grundsätzlich-analytischen Band zum Thema Selbstverwaltung herausgebracht. Salopp formuliert, leisten Dimmel und Schmid auf akademischem Niveau etwas, das Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsfunktionäre ihren Mitgliedern auf politischer Ebene fast völlig schuldig geblieben sind: Sie erklären Herkunft, Funktion, Zweck selbstverwalteter Körperschaften und richten dabei ihren Fokus speziell auf die soziale Daseinsvorsorge.

Die Kritik an der Haltung des sozialdemokratisch dominierten ÖGB fällt dabei hart aus. Die Funktionäre hätten sich zu sehr um "Machtausübung und Machterhalt" gekümmert und zu wenig um Fragen der Hegemonie, "sprich um die sozialpolitische Unverzichtbarkeit der Selbstverwaltung in der Wahrnehmung der Versicherten und der Beitragszahler." Die Themen lauten: geringer Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung, mangelnde Qualifikation der Funktionäre, Intransparenz bei deren Bestellung und kaum Solidarität der Kassen untereinander. So gesehen sei die Zerschlagung der Kassenstruktur auch selbst verschuldet.

Nikolaus Dimmel und Klaus Schmid machen dem ÖGB dann gleich einen Handlungsvorschlag: Die Gewerkschaft solle mit einer neu gegründeten Gewerkschaftskasse eine eigene für ihre Mitglieder exklusive Zusatzversicherung schaffen, die jene Lücken fülle, "die eine konservative Regierung im Zuge ihrer Sozialabbaumaßnahmen aufreißt". (Thomas Neuhold, 25.6.2020)