London/Liverpool – Das lange Warten hat ein Ende: Jürgen Klopp hat dem FC Liverpool nach quälenden 30 Jahren Durststrecke die 19. englische Fußball-Meisterschaft beschert. Die Reds profitierten am Donnerstagabend vom 1:2 (0:1) von Titelverteidiger Manchester City beim FC Chelsea. Bei noch sieben ausstehenden Saisonspielen in der Premier League hat Liverpool uneinholbare 23 Punkte Vorsprung.

Ja, so ein Tag, so wunderschön wie heute.
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Der nächste Titel für Klopp

Klopp ist der erste deutsche Trainer, der ein englisches Team zum Titel geführt hat. Nach den Triumphen mit Borussia Dortmund in der Bundesliga 2011 und 2012 ist es seine dritte Meisterschaft und der größte Erfolg neben dem Champions-League-Sieg mit Liverpool 2019.

An der Stamford Bridge nutzte Christian Pulisic (36.) einen schweren Abstimmungsfehler zwischen Ilkay Gündogan und Benjamin Mendy und brachte die Blues in Führung. Kevin De Bruyne (55.) konnte mit einem sehenswerten Freistoß ausgleichen, ehe Willian (78.) mit einem Handelfmeter die Chelsea-Führung wiederherstellte. Citys Fernandinho hatte für seine "Rettungstat" auf der Linie mit der Hand zuvor die rote Karte gesehen.

Das Ende des langen Wartens

Liverpool hatte bereits am Mittwoch mit dem 23. Heimsieg hintereinander vorgelegt, Klopps Team überrollte Crystal Palace eindrucksvoll mit 4:0 (2:0). "Die 30-jährige Wartezeit auf den Heiligen Gral kommt zu ihrem Ende", schrieb das "Liverpool Echo" daraufhin – und behielt recht: 24 Stunden später war die erste Liverpooler Meisterschaft seit 1990 perfekt.

Gruppenfeier vor Anfield.
BeanymanSports

Klopp hatte schon beim 28. Saisonsieg, einem Rekord in Europas Top-Ligen, mehr Spaß denn je. "Ich habe das richtig genossen", sagte er, "wie wir sie gejagt haben, immer vier Rote gegen einen Weißen, die Tore – es war das perfekte Fußballspiel für uns." Es habe Momente gegeben, "da konnte ich es gar nicht glauben", schwärmte Klopp, "ich bin fast sprachlos, ich könnte nicht glücklicher sein".

Corona-Auflagen vergessen

Auch die Fans der Reds konnten ihr Glück nicht fassen. Hunderte Fans feierten den lang ersehnten Meistertitel – unter weitgehender Missachtung der Corona-Auflagen. In den Straßen der englischen Stadt drängten und umarmten sich am Donnerstagabend Anhänger des Kultvereins – trotz der geltenden Abstandsgebote. Rauchbomben und Feuerwerkskörper wurden gezündet. Auch zogen Autokorsos mit Hupkonzert durch die Straßen.

Die feiernden Fans in den Straßen setzten sich auch über Klopps Appell hinweg. Er hatte die Fans aufgefordert, daheim zu bleiben oder allenfalls direkt vor ihren Häusern zu feiern.

Traumfußball

"Es ist ein unglaublicher Moment, eine sehr aufregende Reise", sagte Klopp, der mit Freudentränen kämpfte, im Sender Sky Sport.

Liverpool-Fan Emily Farley in Feierlaune.

Tatsächlich demonstrierte Liverpool auf dem Weg zum 19. Titel seine ganze Klasse – und Klopp-Fußball in Perfektion mit traumhaften Toren. "Ich bin nicht sicher, ob es der beste Fußball war", sagte Klopp, "aber es war mit Sicherheit der beste Konterfußball hinter verschlossenen Türen, den es je gegeben hat. Unsere Haltung und die Leidenschaft waren außergewöhnlich." Selbst in der Schlussphase seien seine Spieler dem Ball hinterhergejagt, "als wäre es der letzte auf dem Planeten".

Als erste Mannschaft seit Datenerfassung (2008) gestattete Liverpool beim Sieg über Crystal Palace dem Gegner nicht eine einzige Ballberührung im eigenen Strafraum. Die BBC konstatierte: "Die Reds sind unerreicht in ihrer Brillanz." Der "Guardian" staunte: "Es war kein Fiebertraum. Ja, sie sind wirklich so gut." Die "Sun" kommentierte, Liverpool habe Palace "geplündert und tyrannisiert", das Hausblatt "Liverpool Echo" meinte: "Das war der Stoff, aus dem Meister gemacht sind." (sid, APA, red, 26.6.2020)

Die englischen Meister seit 1990:

1989/90 FC Liverpool
1990/91 FC Arsenal
1991/92 Leeds United
1992/93 Manchester United
1993/94 Manchester United
1994/95 Blackburn Rovers
1995/96 Manchester United
1996/97 Manchester United
1997/98 FC Arsenal (mit Alexander Manninger)
1998/99 Manchester United
1999/00 Manchester United
2000/01 Manchester United
2001/02 FC Arsenal
2002/03 Manchester United
2003/04 FC Arsenal
2004/05 FC Chelsea
2005/06 FC Chelsea
2006/07 Manchester United
2007/08 Manchester United
2008/09 Manchester United
2009/10 FC Chelsea
2010/11 Manchester United
2011/12 Manchester City
2012/13 Manchester United
2013/14 Manchester City
2014/15 FC Chelsea
2015/16 Leicester City (mit Christian Fuchs)
2016/17 FC Chelsea
2017/18 Manchester City
2018/19 Manchester City
2019/20 FC Liverpool