Frauen demonstrierten anlässlich des Frauenstreiks in der ganzen Schweiz am 14. Juni.

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Alles, nur keine Rückkehr zur Normalität. Es ist ein Befund, den feministische Aktivistinnen aktuell vielerorts teilen. Als "Krise der Frauen" betitelten die UN Women den Corona-Ausnahmezustand, der bereits existierende Ungleichheiten weiter verschärft: Da Frauen und Mädchen in allen Gesellschaften zu den benachteiligten Gruppen zählen, seien auch sie es, die die Folgen der Pandemie besonders hart treffen. Doch während seit Wochen milliardenschwere Hilfspakete geschnürt werden, lässt ein frauenpolitischer Krisenplan auf sich warten. So auch in der Schweiz. "Wir werden bald über lächerliche zwei Wochen Vaterschaftsurlaub abstimmen", erzählt Natalie von Tscharner vom Frauen*streik Basel dem STANDARD.

Die Forderungen der Schweizer Frauen*streik-Bewegung, die im vergangenen Jahr zehntausende Menschen auf die Straße brachte und große mediale Resonanz erhielt, sind umfassend. Im "Careona-Manifest" fordern die Aktivistinnen nicht weniger als eine "Neuverteilung von Zeit, Macht, Geld und Raum". Unbezahlte Haus- und Sorgearbeit, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird, eine Sparpolitik im Gesundheits- und Pflegewesen sowie prekäre Bedingungen in den klassischen Frauenbranchen dürften nicht länger hingenommen werden. Zwar habe die Corona-Krise diese Missstände deutlich gemacht, doch damit sei noch nichts gewonnen, sagt Natalie von Tscharner: "Damit es uns gelingt, diese feministischen Themen in die Politik einzubringen, braucht es Druck von unten, sonst gerät das Ganze auch schnell wieder in Vergessenheit."

Kämpfen statt Klatschen

Am 14. Juni, ein Jahr nach dem großen Schweizer Frauenstreik, rief die Bewegung zum "Frau*lenzen und queerstellen" auf, um sich "von den erschöpfenden Zuständen und Arbeiten protestreich zu erholen". Aktivist*innen versammelten sich auf einem Zürcher Platz zur "feministischen Poolparty", in kleinen Grüppchen wurde diskutiert und performt. Ein unbewilligter Demonstrationszug, der in Basel startete, wurde indes von der Polizei auf einer Brücke eingekesselt. "Das war unverhältnismäßig und eine enorm starke Machtdemonstration, die nicht angebracht war", kommentiert von Tscharner.

In Österreich trugen Frauenstreikgruppen am 12. Juni ihre Anliegen auf die Straße. Bei einem feministischen "Raub-Aktionstag" auf der Meidlinger Hauptstraße in Wien machten die Aktivistinnen die enormen Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern und unbezahlte Sorgearbeit zum Thema. "Einerseits als 'systemrelevant' benannt und beklatscht und andererseits in konkreten Kollektivvertragsverhandlungen ausgebootet", so die scharfe Kritik der Organisatorinnen, die nach feministischen Arbeitskämpfen rufen. Wie dringlich der Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen gerade in jenen Branchen ist, in denen besonders viele Migrantinnen tätig sind, zeigte zuletzt der Fall von Erntehelfer*innen in Niederösterreich, die von menschenunwürdigen Zuständen berichteten.

Geschlechtergerechte Krisenpolitik

In Deutschland knüpften Aktivist*innen des #Unteilbar-Bündnisses am 14. Juni indes an die schlagkräftigen #BlackLivesMatter-Proteste an. Zehntausende bildeten in mehreren deutschen Städten Menschenketten, um für eine solidarische und geschlechtergerechte Krisenpolitik und gegen Rassismus und Antisemitismus einzustehen. "So kann es nicht weitergehen", postulieren auch die #Unteilbar-Initiator*innen.Dass auch die deutsche Bundesregierung geschlechtsspezifische Auswirkungen der Krise zu wenig im Blick hat, kritisierte der Deutsche Frauenrat wiederholt. "Die riesigen Corona-Hilfen geben sich geschlechtsneutral. Sie blenden die besonderen Lebens- und Bedürfnislagen von Frauen einfach aus", so die Vorsitzende Mona Küppers in einer Aussendung.

Feministischen Druck von der Straße dürften politische Entscheidungsträger*innen noch verhalten wahrnehmen. Zumindest das Frauen*streik-Kollektiv Zürich zeigt sich optimistisch: "Die Utopie entsteht nicht nur durch große Mobilisierungen. Wir schaffen sie täglich." (Brigitte Theißl, 29.6.2020)