Die durch den Coronavirus verursachte Pandemie hat inzwischen weltweit unzählige Arbeitsplätze gekostet: Nach Angaben der ungarischen Regierung bis zu 130.000 Arbeitsplätze in Ungarn allein verloren gegangen. Viele Märkte klagen außerdem, dass Konsumenten nur kaufen, was unbedingt notwendig ist. Luxusartikel, Mode, Spiele oder Wohnungsdekorationen werden kaum mehr nachgefragt. Und da sich die Mehrheit der Menschen zu Hause befindet, rückt auch Kosmetik in den Hintergrund. Besonders stark ist die Reisebranche betroffen; zumal über 90 Prozent aller Verkehrsmaschinen derzeit im Hangar stehen.

Hotels finden im Moment allenfalls als Hilfskrankenhaus oder Unterkunft für medizinisches Personal Verwendung. Es gibt zwar Anzeichen für eine Entspannung in Reisebranche und Tourismus, die jedoch noch zu früh sein könnte, wie auch kritisiert wird.

tagesschau

Influencer im Lockdown: die erste Krise der Branche

Zahlreiche Unternehmen haben ihre Mitarbeiter inklusive Computer nach Hause geschickt und lassen die Belegschaft nun in den eigenen vier Wänden arbeiten - soweit dies möglich ist. Insofern hat die digitale Heimarbeit etliche Arbeitsplätze gerettet, mitunter sogar neue Stellen geschaffen. 

Nicht so bei den Influencern, die ohne Handy mit Internetzugang, Laptop und mehreren Social-Media-Accounts nicht vorstellbar sind. Deren Aufgabe besteht darin, sich selbst im trendigen Outfit, in Vintage T-Shirts oder in der aktuellen Bademode abzulichten und mittels einer kurzen Botschaft bestimmte Produkte zu empfehlen. Andere halten Vorträge, sind auf Partys eingeladen oder testen Produkte.

Die Influencer-Branche befindet sich in ihrer ersten Krise: In Italien und den Niederlanden begeht man ungewöhnliche Wege, in Deutschland wird Wäsche gewachsen: Die deutsche Influencerin Paola Maria Koslowski macht sonst Werbung für Luxusmarken und berichtete in einem Gespräch mit dem "Spiegel", dass sie für ihre Abonnenten Wäsche wasche, den Schrank aufräume oder einfach Klatsch austausche. Kurzer Kommentar: “Das zahlt sich erst nach der Krise aus.” Ähnlich ergeht es ihrer Kollegin Diana zur Löwen, deren Aufträge von klassischen Unternehmen zurückgingen, die aber aktuell vermehrt Anfragen von Online-Unternehmen wie Streaminganbietern bekäme.

Authentisch von zu Hause?

Also alles anders? Besonders die Reise-Influencer hat Covid-19 aus ihrer Komfortzone getrieben. Statt Urlaub am Strand, Städtereisen in die spannendsten Metropolen oder Badminton an Oberdeck eines Kreuzfahrtschiffs, müssen diese Influencer nun den eigenen Balkon zum Sonnenbad nutzen, um ihr Immunsystem stärken und auf Höchstleistung bringen zu können. In anderen Ländern sind die Situationen noch stärker reglementiert und manchmal auch undurchsichtiger, was ein Blick auf die USA zeigt, wo die einzelnen Bundesstaaten viel Selbstkontrolle haben, aber auch die US-Bundesregierung sich häufig einmischt und manchmal auch außerhalb ihres Kompetenzbereichs anweist. 

ZDFheute Nachrichten

Die meisten Influencer reagierten jedoch nicht - oder viel zu spät. Liegt es an einem zu bequemen Lebensstil? Ein paar Postings auf Facebook, Twitter oder Instagram bescherte diesen Trendsettern bislang doch ein zumeist gutes und gesichertes Einkommen? Top-Influencer kassierten sogar Beträge in Millionenhöhe. Das wäre zu hart formuliert, denn auch etablierte Branchen und bekannte Großunternehmen strauchelten, straucheln weiterhin oder haben mit den Folgen zu kämpfen. 

Doch es muss auch kritisiert werden: Manche Influencer haben geschmacklose Corona-Gewinnspiele veranstaltet, andere wie Johannes Haller posten über ihre Reisen nach Ibiza und es wurden weiter fleißig Klamotten im Vintage-Style empfohlen oder die neueste Tagescreme, während die ersten Menschen in bereits im Sterben lagen. Doch auch dieser Vorwurf ist eigentlich zu kurz gegriffen. Inzwischen bessert sich die Lage und viele Influencer posten mit mehr Bedacht. So wurden Accounts für Mode, Musik, Innendesign oder Reisen von wenigen Influencern teils drastisch verändert. Wo zuvor die heißesten Bars für Städtereisende zu finden waren, werden gesundheitsfördernde Lebensmittel oder die Wirksamkeit von Nahrungsergänzungsmitteln diskutiert. 

Einer Umfrage der Marketingplattform HashtagLove zufolge meinten 46,6 Prozent der befragten Influencer, dass sie aktuell mehr auf Selbstreflexion und den Zusammenhalt mit ihrer Community achten würden. Einige der digitalen Werbebotschafter beschränken sich darauf, gute Nachrichten zu verbreiten oder ihre Follower in der Krise mental zu unterstützen.

Influencer in der Krise?
Foto: Foto: AFP/PHILIPPE LOPEZ

Gerüchte über den Tod der Influencerbranche sind übertrieben

Es zeigt sich derzeit, dass die für ihre Kreativität so berühmten Influencer gerade jetzt in punkto Einfallsreichtum gefordert sind. Nur die wirklich kreativen Köpfe unter ihnen setzen sich auch in Zeiten der Corona-Pandemie durch, wenngleich deren Einnahmen zumeist auch gesunken sind. Andere, weniger fantasievolle Trendsetter mit derzeit null Einkommen, lassen ihre Accounts verwahrlosen, posten nur noch gelegentlich und zumeist halbherzig oder haben ihre Arbeit ganz eingestellt. 

Insofern scheint sich hier der in der Tat stark überlaufene Markt der Influencer selbst zu bereinigen. Übrig bleiben offensichtlich nur diejenigen, die tatsächlich etwas Sinnvolles zum Leben der Konsumenten, ihrer Follower beizutragen haben. (Christian Allner, 8.7.2020)

Hinweis: Eine internationale Vorlesungsreihe, unter anderem mit der Uni Klagenfurt, findet von Mai bis Juli 2020 mit dem Fokus auf Pandemie und Gesellschaft statt. Die Ergebnisse der Reihe sollen in einem Sammelband veröffentlicht werden.

Weitere Beiträge des Bloggers