An manchen Politiker- und Politikerinnenauftritten könnte man fast irre werden – nähme man an, dass sich politische Repräsentanten an die ungeschriebenen Regeln authentischer Kommunikation halten. Etwa daran, dass man kurz nach einer aufsehenerregenden Ankündigung nicht so tun kann, als habe es die Ansage gar nicht gegeben. Und dass es auf Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer höchst verstörend wirkt, wenn man auf diesbezügliche Fragen mit brüsken Ausweichmanövern reagiert, die im rhetorischen Straßengraben enden. Also wenn man sich so verhält wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Donnerstag im Interview mit Lou Lorenz-Dittlbacher in der "ZiB 2" des ORF.

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Am Dienstag hatte ein Konzept aus ihrem Hause die Runde gemacht, laut dem das bisherige Verteidigungskonzept des Heeres – Vorbereitung auf den Kriegsfall, Verteidigung der Neutralität – außer Kraft gesetzt wird. Nun, zwei Tage später, stand Tanner bemüht lächelnd da und verkündete: "Die militärische Landesverteidigung ist und bleibt die Kernaufgabe des österreichischen Bundesheeres." Das sagte sie in dem wenige Minuten dauernden Gespräch nicht ein, sondern gleich vier Mal.

Vier Mal scheiterte auch Lorenz-Dittlbacher mit ihrer Frage, ob die Nachricht von Kasernenschließungen und weitläufigen Nichtnachbesetzungen von Heeresposten möglicherweise über Tanners Kopf hinweg erfolgt ist. Hier setzte die Ministerin stur auf Nichtauskunft – und wieder verkam die Idee eines fairen und inhaltsreichen Politikerinterviews zur Fata Morgana. (Irene Brickner, 26.6.2020)