Der Ibiza-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Sobotka fiel aus Sicht der Opposition mit willkürlichen Wortmeldungen im Sinne der ÖVP auf.

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Kann Wolfgang Sobotka (ÖVP) Vorsitzender des Ibiza-Untersuchungsausschusses bleiben? Die Fraktionsführer der Oppositionsparteien halten den Parlamentspräsidenten schon länger für befangen. In den vergangenen Wochen wurde zum Thema, dass das Alois-Mock-Institut Inserate der Novomatic erhält. Der Verein wurde im Jahr 2012 von Sobotka gegründet, als dieser noch Finanzlandesrat in Niederösterreich war. Die Novomatic ist Gegenstand im U-Ausschuss – und nun sollen das auch das Institut und Sobotka selbst sein, wie die Opposition in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Freitag bekanntgab.

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer erklärte, dass der U-Ausschuss Donnerstagabend darüber informiert worden sei, dass nun auch das Mock-Institut und damit auch Sobotka zu Untersuchungsgegenständen werden würden. "Er kann nicht den Vorsitz führen und gleichzeitig Auskunft geben", sagte Krainer. "Das wurde immer so eingehalten, und er muss diese parlamentarische Praxis einhalten und sich vom Ibiza-Untersuchungsausschuss zurückziehen." Krainer geht davon aus, dass sich Sobotka selbst zurückziehen werde. Alles andere hält er für "untragbar".

Das Schreiben des Justizministeriums an Sobotka liegt dem STANDARD vor. Dieses klingt etwas anders. Konkret wurde das Ministerium offensichtlich mit einer ergänzenden Beweismittelanforderung um Unterlagen bezüglich des Alois-Mock-Instituts ersucht. Bisher würden allerdings dazu "keine den Untersuchungsgegenstand tangierenden Akten vorliegen". In diesem Zusammenhang gebe es "bislang lediglich einen (...) anonymen Hinweis", heißt es in dem Schreiben. "Die Prüfung, ob hinsichtlich der darin erhobenen Vorwürfe ein Anfangsverdacht besteht und folglich Ermittlungen zu führen sein werden, ist derzeit noch im Gange." Das Ministerium hat Bedenken bezüglich einer sofortigen Aktenvorlage, etwa um die mögliche Durchführung von Zwangsmaßnahmen nicht zu gefährden.

Ex-Pressesprecher Sobotkas wird befragt

Krainers freiheitliches Pendant, Christian Hafenecker, meint jedenfalls, das Aktenstudium habe in den vergangenen Wochen gezeigt, dass das Alois-Mock-Institut zum Untersuchungsgegenstand werden müsse. Hafenecker hätte es für gut befunden, wenn sich Sobotka wie FPÖ-Chef Norbert Hofer bereits im Vorfeld des U-Ausschusses zurückgezogen hätte. Hofer tat dies wegen seiner Ladung am 2. Juli.

Für die Neos sei Sobotka schon länger als Ausschussvorsitzender nicht tragbar gewesen, und nun umso weniger. Sobotka habe sich bei den Befragungen auch immer wieder "willkürlich" und "im Sinne der ÖVP" zu Wort gemeldet. So wollte Sobotka vor Ort auch richtigstellen, dass das Alois-Mock-Insitut keine ÖVP-Vorfeldorganisation sei. Mit K. werde am 1. Juli obendrein nicht nur der Ex-Pressesprecher der Novomatic befragt, der auch Pressesprecher von Sobotka in dessen Zeit als Finanzlandesrat in Niederösterreich war. In den U-Ausschuss-Akten findet sich zudem ein in diesem Zusammenhang interessanter Eintrag. Demnach traf Sobotka Novomatic-Chef Johann Graf am 9. Juli 2019.

Verfahrensrichterin tritt ab

Die Verfahrensrichterin Ilse Huber ist bereits zurückgetreten, wie am Freitagvormittag die Parlamentsdirektion bestätigte. Huber wurde für ihre Arbeit im U-Ausschuss immer wieder von der Opposition kritisiert. Den Ausschlag gab aber offensichtlich eine Aussage von Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, die Huber auf sich bezog. "Die geht mir am Oasch", sagte Krisper am Donnerstag beim Ausschusstag mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Zu hören war das deshalb, weil ihr Mikrofon noch aktiv war. Krisper bestritt danach, damit die Verfahrensrichterin gemeint zu haben. In ihrem Abschlussstatement erklärte sie, dass sie die Vorsitzführung störe, die es zulasse, dass Auskunftspersonen durch ausschweifende Nicht-Antworten die Fragezeit aufbrauchen.

Stephanie Krisper erklärt, was ihr derzeit "am Oasch" geht.
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"Leider habe ich im Laufe der Sitzungen erleben müssen, dass hier unsachliche und persönliche Angriffe stattgefunden haben, die auch mich mit einbezogen haben", meinte Huber in einer schriftlichen Erklärung gegenüber der APA. Am gestrigen Verhandlungstag sei für sie "eine Grenze überschritten" worden. "Die höchst abfällige Äußerung einer Fraktionsführerin und der darauffolgende öffentliche Diskurs sind für mich ohne Beispiel. So etwas habe ich in meiner jahrzehntelangen Laufbahn als Richterin noch nie erlebt, und so etwas hätte ich auch niemals erwartet", zeigte sich Huber enttäuscht. Hubers Aufgabe übernimmt ihr Stellvertreter Wolfgang Pöschl.

ÖVP-Fraktionsführer mahnt "Respekt" ein

Kritik nach dem Abgang von Huber kam prompt von der ÖVP. Ihr U-Ausschuss-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl meinte, dass es so nicht mehr weitergehen könne. "Wir haben dank Neos und Co bereits jetzt den Tiefpunkt unterschritten", sagte Gerstl. Das Verhalten der Opposition gegenüber der Verfahrensrichterin sei "untragbar, unmenschlich und unwürdig" gewesen.

In einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag sprach Gerstl gar von Mobbing gegenüber der Verfahrensrichterin, die von allen fünf Parlamentsparteien ausgesucht worden sei. "Jetzt haben wir die besondere Situation, dass wir keinen Verfahrensrichter haben und nun den Untersuchungsausschuss nicht fortführen können, weil der stellvertretende Verfahrensrichter nur tätig werden kann, wenn die amtierende Verfahrensrichterin verhindert ist", meint Gerstl. Nun müsse aus seiner Sicht eine neue Verfahrensrichterin bestellt werden, was Zeit in Anspruch nehmen dürfte.

Was die Vorsitzführung Sobotkas anlangt, meinte Gerstl, dass es sich beim Amt des Parlamentspräsidenten um das zweithöchste Amt im Staate handle und dieses "selbstverständlich" unparteiisch vorgehe. Es sei wichtig, dass man diesem Amt Respekt zollt. "Wir müssen aufpassen bei den anonymen Hinweisen, dass wir damit nicht Verfahren blockieren und damit nicht Menschen ohne Anfangsverdacht in Misskredit bringen", sagte Gerstl. (Jan Michael Marchart, 26.6.2020)