Das fleckige Antlitz unseres Zentralgestirns im Jahr 2002. Die Zahl war auf der Originalaufnahme übrigens nicht zu sehen, der so gekennzeichnete Sonnenfleck Nr. 162 hatte den zehnfachen Durchmesser der Erde.
Foto: APA/dpa/NASA

Göttingen – Auf der Spur des elfjährigen Sonnenfleckenzyklus ist es Forschern gelungen, das bisher umfassendste Bild der Nord-Süd-Plasmaströme in der Konvektionszone der Sonne zu zeichnen. Das Plasma beschreibt in jeder Hemisphäre einen gewaltigen Umlauf, der etwa 22 Jahre dauert, berichtet das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen. Dies erkläre die Dauer des Zyklus.

Warum der Aktivitätszyklus der Sonne – mit gewissen Schwankungen – gerade so lange dauert, beschäftigte Astronomen lange Zeit. Die Existenz von Sonnenflecken wurde bereits in der Antike dokumentiert, ihre systematische Beobachtung begann im 17. Jahrhundert. Und seitdem versuchte sich die Wissenschaft einen Reim auf das festgestellte Muster des stetigen Aufs und Abs zu machen. MPS-Forscher berichten nun zusammen mit Kollegen von der Universität Göttingen und der New York University Abu Dhabi in der Fachzeitschrift "Science" von ihren Erkenntnissen.

Muster

Jeder Zyklus ist von einem Aktivitätsmaximum und einem -minimum gekennzeichnet. Während des Maximums erscheinen große Sonnenflecken und aktive Regionen auf der Oberfläche der Sonne. Beeindruckende Bögen aus heißem Plasma ragen bis weit in die Sonnenatmosphäre, Teilchen und Strahlung werden in heftigen Eruptionen ins All geschleudert. Im Aktivitätsminimum hingegen beruhigt sich die Sonne merklich. Der Abstand zwischen zwei Maxima beträgt ungefähr elf Jahre, nach 22 Jahren sind die Sonnenflecken wieder magnetisch gleich gepolt.

Eine weitere auffällige Regelmäßigkeit zeigt sich laut den MPS-Forschern im sogenannten Schmetterlingsdiagramm. Dieses beschreibt, in welchen solaren Breiten Sonnenflecken im Lauf des Sonnenzyklus auftreten. Zu Beginn des Zyklus überwiegen die mittleren Breiten, im weiteren Verlauf rücken die Entstehungsorte der Sonnenflecke immer näher an den Äquator heran.

Gewaltiges Förderband

"Im Lauf des Sonnenzyklus wirken die Plasmaströme in Nord-Süd-Richtung wie eine Art Förderband, das die Magnetfelder mitreißt und so die Dauer eines Zyklus bestimmt", erklärt Laurent Gizon, geschäftsführender Direktor des MPS und Erstautor der neuen Studie. "Die genaue Geometrie und Amplitude der Plasmabewegungen im Sonneninneren sichtbar zu machen, ist für das Verständnis des solaren Magnetfelds entscheidend."

Der Verlauf der Plasmaströme.
Foto: MPS (Z.-C. Liang)

Den Wissenschaftern zufolge sorgt die in Richtung Äquator verlaufende Strömung am Boden der Konvektionszone außerdem dafür, dass Sonnenflecken im Laufe des Sonnenzyklus zunehmend näher am Äquator entstehen.

Die Konvektionszone der Sonne reicht von der Oberfläche unseres Zentralgestirns bis in eine Tiefe von 200.000 Kilometern. Während die Beobachtung des Verlaufs von Plasmaströmen an der Sonnenoberfläche vergleichsweise einfach ist, stellen die Plasmabewegungen tief im Inneren der Konvektionszone eine Herausforderung dar.

Die Datenerhebung

Für die aktuelle Studie werteten die Forscher laut MPS erstmals zwei unabhängige, sehr lange Messreihen aus. Die eine stammt von SOHO, dem ältesten Sonnenobservatorium im Weltall, das die europäische Weltraumagentur ESA und die US-Weltraumbehörde NASA betreiben. Die Daten umfassen die Zeit von 1996 bis 2011.

Ein zweiter unabhängiger Datensatz wurde vom Forschungsnetzwerk GONG ("Global Oscillation Network Group") zur Verfügung gestellt, einem Verbund sechs bodengebundener Sonnenteleskope in den USA, Australien, Indien, Spanien und Chile. Gemeinsam haben die sechs Teleskope seit 1995 einen fast ununterbrochenen Blick auf die Sonne.

Mithilfe dieser Daten konnten Gizon und sein Team zeigen, dass die Plasmaströme am Boden der Konvektionszone mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde – also etwa Laufgeschwindigkeit – zum Sonnenäquator fließen. An der Oberfläche strömt das Plasma in Richtung der Pole und erreicht Geschwindigkeiten von 50 Kilometern pro Stunde. Insgesamt ergibt sich so, dass das Plasma in jeder Hemisphäre einen einzigen Umlauf beschreibt – und die 22-jährige Dauer eines solchen Umlaufs liefert die physikalische Erklärung für den elfjährigen Sonnenzyklus. (APA, red, 26. 6. 2020)