Wien – Die Titelseite mit der Schlagzeile "CORONA: Promi-Anwalt im Koma" der Tageszeitung "OE24" vom 5. März 2020 verstößt laut Presserat ein zwei Punkten (Persönlichkeitsschutz und Intimsphäre) gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Neben der Schlagzeile der Titelseite wurde ein unverpixeltes Portraitfoto des erkrankten Anwalts veröffentlicht. Zudem werde der Betroffene mit Vor- und Nachnamen in kleiner Schriftgröße genannt und als "Corona-Opfer" bezeichnet.

Die Information, dass sich eine konkrete Person mit dem Coronavirus infiziert habe und deshalb schwer erkrankt sei, "ist grundsätzlich dazu geeignet, den Betroffenen zu stigmatisieren und in seine geschützte Persönlichkeitssphäre einzugreifen", so der Presserat. Dies gelte umso mehr, wenn diese Information zusammen mit einem großen Porträtfoto des Erkrankten auf der Titelseite abgedruckt wird.

Gesundheitszustand sei Privatsphäre

Selbst wenn der betroffene Anwalt in juristischen Kreisen oder auch darüber hinaus bekannt gewesen sein sollte, ist er aufgrund der Offenlegung seines kritischen Gesundheitszustands jedenfalls als schutzwürdig einzustufen. "Sein Gesundheitszustand zählt zum Bereich der Privatsphäre", so der Senat. Bei einem schwerwiegenden Krankheitsverlauf wie im konkreten Fall sei besondere Zurückhaltung geboten. Es bestehe weder ein Zusammenhang mit der Berufsausübung als Anwalt noch mit dem öffentlichen Leben. "Im vorliegenden Fall hat es das Medium daher verabsäumt, die berechtigten Anonymitätsinteressen des Erkrankten zu wahren", heißt es in einer Aussendung des Presserats.

Das Medium könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Veröffentlichung den Zweck gehabt hätte, die Umgebung des Erkrankten vor der Gefahr einer etwaigen Ansteckung zu warnen. Der Presserat weist darauf hin, dass der Anwalt zum Zeitpunkt des Erscheinens der Titelseite bereits seit einiger Zeit im Krankenhaus war, in seiner Kanzlei eine Testung aller Mitarbeiter durchgeführt wurde, die Behörden eingeschaltet und die Kontaktpersonen des Erkrankten bereits informiert waren. (red, 26.6.2020)