Auf ex! Ein Delfin praktiziert Shelling.
Foto: Sonja Wild - Dolphin Innovation Project

Werkzeuggebrauch sieht bei Tieren, die keine Pfoten haben, naturgemäß etwas anders aus, als wir es gewohnt sind – aber es ist, was es ist. Bei den Delfinen der Shark Bay im Westen Australiens sind Biologen diesbezüglich gleich doppelt fündig geworden. Und nun berichten Forscher der Universität Zürich, dass die Anwendung dieser Werkzeuge auf eine Weise gelernt wird, die der von Menschenaffen entspricht.

Sponging und Shelling

Fall 1 ist das sogenannte Sponging: Dafür rupfen Delfine Stücke von Meeresschwämmen ab und stülpen sich diese über die Schnauze. Dieser Schutzpolster ermöglicht ihnen, Beute auch dort aufzustöbern, wo der Meeresboden so zerklüftet ist, dass ihre empfindlichen Schnauzen zerschrammt würden. Vermutlich sind Fischarten, die immer in Bodennähe bleiben und deshalb nicht freischwimmend erwischt werden können, eine verlockende Beute.

Fall 2 nennt sich Shelling: Dafür treiben Delfine Fische in die leeren Gehäuse von Riesenschnecken, nehmen diese dann samt Fisch mit zur Meeresoberfläche und leeren sie durch heftiges Hin- und Herschütteln aus, bis ihnen die Beute buchstäblich ins Maul fällt. Auf diese zweite Methode bezieht sich die Züricher Studie, für die mehr als 1.000 Delfine (genauer gesagt Indopazifische Große Tümmler) zwischen 2007 und 2018 beobachtet wurden.

Cell Press

Seinen Anfang könnte das Shelling mit einer Hitzewelle im Jahr 2011 genommen haben, vermuten die Forscher. Damals verendete eine große Zahl von Fischen und wirbellosen Tieren in der Shark Bay, zudem lagen danach jede Menge leerer Schneckenhäuser herum. Dies könnte die Delfine dazu veranlasst haben, neues Verhalten zu entwickeln und weiterzugeben.

Horizontale und vertikale Weitergabe

Und die Art der Weitergabe ist laut dem Team um Michael Krützen besonders interessant. Neue Techniken werden normalerweise von den Delfinmüttern an ihre Kälber weitergegeben, was man als vertikale Übertragung bezeichnet. Bisher ging man davon aus, dass Delfine nur auf diese Weise neue Methoden zur Futterbeschaffung erlernen können, so die Forscher.

Die Beobachtungsdaten weisen aber darauf hin, dass sich das Shelling in erster Linie innerhalb einer Generation ausgebreitet hat, also horizontal übertragen worden sein muss. "Unsere Ergebnisse liefern den ersten Beweis, dass Delfine auch fähig sind, als erwachsene Tiere direkt von ihren Artgenossen zu lernen und nicht nur von ihren Müttern", sagt Krützen.

Ganz ähnlich wie bei den Menschenaffen

Diese Erkenntnis sei ein wichtiger Meilenstein und zeige, dass das kulturelle Verhalten von Delfinen und anderen Zahnwalen jenem von Menschenaffen noch viel ähnlicher sei, als man bisher dachte. Denn von Gorillas und Schimpansen weiß man schon länger, dass sie neue Verhaltensweisen zur Futtersuche sowohl vertikal als auch horizontal weitergeben und erlernen.

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Man trägt wieder Schwamm in der Shark Bay.
Foto: National Academy of Sciences, Janet Mann/AP/dapd

Dass freilebende Delfine neue Jagdtechniken nicht nur von ihren Müttern lernen können, erweitert auch das Verständnis dafür, wie sich die Tiere an veränderte Umweltbedingungen anpassen können. Wenn sie in der Lage sind, von anderen Artgenossen zu lernen, ermöglicht dies eine raschere Verbreitung hilfreicher neuer Verhaltensweisen. (red, 27. 6. 2020)