Für die grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein steht fest: Der nächste Bürgermeister heißt Michael Ludwig. Ihr Verhältnis zu den Roten war schon besser, zuletzt gab es Meinungsunterschiede zur autofreien Innenstadt. Im Interview kündigt sie an, dass auch viele Parkplätze im ersten Bezirk daran glauben werden müssen, erklärt, warum sie nach der Wahl am 11. Oktober mit der SPÖ weiter koalieren möchte, und was sie von Türkis-Grün im Bund hält. An Bundeskanzler Sebastian Kurz appelliert sie, Kinder und Jugendliche aus griechischen Flüchtlingslagern nach Österreich zu holen.

Mit Pop-up-Radwegen und autofreien Zonen polarisiert Birgit Hebein in der Bundeshauptstadt: Seit einem Jahr ist die grüne Verkehrsstadträtin im Amt.
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STANDARD: Wird es eine verkehrsberuhigte Innenstadt noch vor der Wien-Wahl geben?

Hebein: Wenn es nach mir geht: ja. Das Behördenverfahren läuft, die Verhandlung ist am 15. Juli. Die Eckpfeiler für ein generelles Fahrverbot mit Ausnahmen stehen.

STANDARD: Bürgermeister Ludwig zeigte sich skeptisch. Er fordert, dass es zu keinen Auswirkungen auf Nachbarbezirke kommen darf. Können Sie das sicherstellen?

Hebein: Ich vertraue auf die Verkehrsexperten. 50.000 Autos fahren täglich in den ersten Bezirk. Es gibt 16.000 Bewohner. Viele Tausende nutzen die Innenstadt als Abkürzung. Wir müssen Anreize schaffen, dass die Menschen mehr Öffis nützen, das Fahrrad oder mehr zu Fuß gehen.

STANDARD: Was machen Sie, wenn es ein Veto des Bürgermeisters gibt, wie er angedroht hat?

Hebein: Das überlege ich mir dann. Aber grundsätzlich bin ich davon überzeugt: Wenn man an den Klimaschutz und die Zukunft denkt, dann kann niemand dieses Projekt ablehnen. Forscher gehen davon aus, dass sich unsere Stadt um durchschnittlich 7,6 Grad Celsius bis 2050 erhitzen wird, wenn keine Maßnahmen gesetzt werden.

STANDARD: Wieso haben Sie das Projekt "autofreie City" genannt – auch wenn weiterhin tausende Autos in die Innenstadt einfahren sollen? Ist Ihnen inzwischen ein besserer Begriff eingefallen?

Hebein: Von mir aus können Sie es Rosengarten nennen. Es geht nicht um die Begrifflichkeit. Es wird ein generelles Fahrverbot geben, international bezeichnet man diese Bereiche eben autofrei. Die Erfahrung aus italienischen Städten zeigt, dass es beim Verkehr unmittelbar zu einer Reduktion von 20 bis 30 Prozent gekommen ist. Nach mehreren Jahren war die Reduktion bei 70 bis 80 Prozent. Das muss auch unser Ziel sein.

"Wir müssenden öffentlichen Raum für die Menschen zurückgewinnen."
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STANDARD: Sie wollen Gespräche mit den Nachbarbezirken führen. Kann es Entgegenkommen geben?

Hebein: Es ist wichtig aufzuklären. Das Projekt ist zu früh medial durchgesickert. Die offenen Fragen müssen wir klären.

STANDARD: Wird es weniger Parkplätze im ersten Bezirk geben?

Hebein: Das ist das Ziel. Wir müssen den öffentlichen Raum für die Menschen zurückgewinnen.

STANDARD: Sie haben mit Türkis gemeinsame Sache gemacht. Tun Sie sich leichter, seit es im Bund Türkis-Grün gibt?

Hebein: Die Abgase haben kein Parteibuch, auch die Maßnahmen dagegen nicht.

STANDARD: Vor der Corona-Krise haben Sie eine Reform des Parkpickerls bis Ostern angekündigt. Wann kommt ein neues System?

Hebein: Ich habe einen Prozess für nachhaltige Mobilität angekündigt. Dieser ist im Oktober mit allen Playern gestartet. Dann kam Corona – und wir mussten die geplanten Bürgerveranstaltungen absagen. Das haben wir jetzt nachgeholt. Wir haben eine Online-Befragung gemacht. Aber da will ich noch nichts vorwegnehmen. Wir sind noch mitten in der Auswertung der Ergebnisse. Anfang Juli wird es eine letzte parteipolitische Gesprächsrunde geben. Eine Umsetzung eines möglichen neuen Modells vor der Wahl ist aber kein Thema.

STANDARD: Ist Ihr Ziel die Fortsetzung von Rot-Grün – oder würden Sie auch bei einem türkis-grün-pinken Bündnis mitmachen?

Hebein: Wenn es nach mir geht, bin ich für eine Fortsetzung von Rot-Grün. Der Sieger steht fest: Der nächste Bürgermeister heißt Michael Ludwig. Er wird entscheiden, ob es vorwärts in Richtung Klimahauptstadt und Zusammenleben geht – oder eben rückwärts.

STANDARD: Türkis-Grün-Pink ist für Sie also kein Thema?

Hebein: Das steht nicht zur Diskussion.

STANDARD: Und wenn es sich nach Mandaten ausgeht?

Hebein: Das steht nicht zur Diskussion.

STANDARD: Was ist Ihr Ziel für die Wien-Wahl im Herbst?

Hebein: Ich will das beste grüne Ergebnis, das wir je bei der Wien-Wahl hatten.

"Es schmerzt mich, dass man Kinder und Jugendliche nicht aus den Flüchtlingslagern von den griechischen Inseln holt."
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STANDARD: Im Bund stehen die Grünen in der Kritik, weil es keine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, sondern nur die Einmalzahlung gibt. Einer von vielen Kompromissen in der Koalition mit der ÖVP?

Hebein: Ich halte die 450-Euro-Einmalzahlung für einen guten ersten Schritt. In Wien müssen wir noch das Gesetz anpassen, damit auch Arbeitslose mit einer Aufstockung aus der Mindestsicherung das Geld in vollem Umfang in Anspruch nehmen können. Um bewerten zu können, wie gut die Koalition insgesamt funktioniert, muss man abwarten. Es schmerzt mich, dass man Kinder und Jugendliche nicht aus den Flüchtlingslagern von den griechischen Inseln holt.

STANDARD: Warum bringen Sie das nicht stärker auf die Agenda?

Hebein: Die Grünen haben sich in dieser Frage ganz deutlich positioniert. Es liegt an Bundeskanzler Sebastian Kurz.

STANDARD: Die Angriffe auf Wien häufen sich, etwa bei der Schließung der Bundesgärten. Auch hier wirkten die Grünen machtlos.

Hebein: Die Öffnung ist erfolgt, weil es Druck aus der Bevölkerung und viele Gespräche gab. Auch ich hab die direkten Brücken zum Bund genutzt.

STANDARD: Der Tiroler Luder-Sager und die zaghafte Reaktion von Ingrid Felipe haben zu vielen Krisensitzungen geführt. Wie kann der Balanceakt Kritik üben versus Machterhalt auf Dauer gelingen?

Hebein: Ich werde meiner Tiroler Kollegin sicher nichts über die Medien ausrichten. Eines ist aber klar: Die ÖVP muss sich auf allen Ebenen an starke Frauen gewöhnen. Es braucht dringend mehr Frauen in der Politik. (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 26.6.2020)