Nach dieser Woche kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die ÖVP die Einrichtungen unserer Demokratie nicht ernst nimmt. Die Auftritte von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel waren von einer Missachtung der Abgeordneten getragen, die im Untersuchungsausschuss versuchen, die politischen Hintergründe von Postenbesetzungen in dieser Republik auszuleuchten. Nein, Kurz muss sich nicht alles gefallen lassen, Blümel auch nicht, aber die Herablassung und die unterschwellige Aggression, die hier zutage traten, waren nicht angebracht. Bei der Opposition übrigens auch nicht. "Die geht mir so am Oasch" ins versehentlich noch eingeschaltete Mikrofon zu sagen, wie das der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper offenbar im Ärger über die Verfahrensanwältin passierte, ist eine schwere Entgleisung, für die sie sich entschuldigen und nicht herausreden sollte. Gerade die Neos appellieren doch immer an den Anstand, hier wäre Gelegenheit, welchen zu zeigen.

Die Taktik der ÖVP scheint es jedenfalls zu sein, den U-Ausschuss lächerlich zu machen und zu diskreditieren, damit dessen Arbeit in der Öffentlichkeit nicht mehr ernst genommen wird. Man weiß ja nicht, was noch alles herauskommen könnte.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Ibiza-U-Ausschuss.
Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGER

Die vermeintliche Ahnungslosigkeit und die Erinnerungslücken, mit denen sich Kurz und Blümel vor dem Ausschuss regelrecht brüsteten, sind eine Respektlosigkeit, lassen aber auch die Protagonisten nicht gut dastehen. Ein Kanzler, der über Vorgänge in der Republik nicht Bescheid weiß, ein Finanzminister, der sich kaum noch an das vergangene Jahr erinnern kann – echt jetzt?

Respektlosigkeit

Auch andere ÖVP-Spitzenrepräsentanten trugen diese Woche dazu bei, das politische Niveau nach unten zu drücken: Verfassungsministerin Karoline Edtstadler verglich bei einer Rede zum Baubeginn einer Shoah-Gedenkmauer die Massenvernichtung der Juden mit dem Unfalltod ihres Großvaters. Da war sie auch sehr traurig. Das war sicher nicht so gemeint, ist aber eine bodenlose Geschmacklosigkeit, die sich ein mit Intelligenz ausgestattetes Regierungsmitglied nicht leisten dürfte.

Apropos. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner bewegt sich am Rande des politisch Erträglichen. Oder darüber hinaus. Die Ministerin hat diese Woche eine Reform des Bundesheeres präsentieren lassen, die eine Abkehr von der militärischen Landesverteidigung beinhaltet. Ein Kernstück der Verfassung würde damit ausgehebelt. Der Koalitionspartner wusste nicht Bescheid, der Bundespräsident, immerhin Oberbefehlshaber des Bundesheeres, auch nicht. Tanner ruderte zurück, tat ihre Reformpläne als schlecht geglückten Scherz ab.

Und dann dieser Fernsehauftritt. Das Interview in der "ZiB 2" war grotesk. Nicht nur, dass sich die Ministerin selbst zum Kasperl machte, das war eine Beleidigung der Intelligenz der Zuschauer, aber auch eine Zumutung für die Moderatorin. Dass Politiker keine Antworten geben und nur auswendig gelernte Sprechblasen aufsagen, ist man gewohnt, aber Tanner trieb es auf die Spitze.

Sich so dumm zu stellen ist eine Respektlosigkeit den Zuschauern gegenüber und eine Missachtung der Demokratie. In dieser Woche haben Kurz und seine Mannschaft schwer an seinem Nimbus als Kanzler gekratzt. Sie haben die Politik lächerlich gemacht. Sie haben uns allen keinen guten Dienst erwiesen; sich selbst auch nicht, das ist nicht einmal ein Trost. (Michael Völker, 26.6.2020)