Es war im Juli 2016, Alexander Manningers Vertrag in Augsburg war ausgelaufen. Da klingelte sein Handy, Jürgen Klopp war dran und fragte: "Alex, bist du so fit wie vor einem Jahr, und willst du noch weitermachen?" Manninger wollte, drei Tage später saß der 39-Jährige im Flugzeug nach Liverpool, wo er als dritter Goalie unterschrieb.

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Alexander Manninger stand bei Arsenal, Juventus und Liverpool – hier bei einem Testspiel gegen die Roma – unter Vertrag. Wer kann das schon von sich behaupten?
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"Klopp wollte, dass ich meine Erfahrung einbringe. Ich sollte das Bindeglied zwischen ihm und den zwei jüngeren Torhütern sein." Beim FC Liverpool wurde nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch geredet, auch das sprach für Manninger. Mit den beiden weitaus jüngeren Goalies, dem Deutschen Loris Karius und dem Belgier Simon Mignolet, hatte der Salzburger sowieso keine Verständigungsprobleme.

Die Torhüter sind jetzt andere, Mo Salah und Virgil van Dijk sind auch dazugestoßen, ansonsten aber kennt Manninger den Großteil jenes Teams, mit dem Klopp nun den 19. Meistertitel Liverpools fixierte. Es ist der erste seit 1990, ein Fluch wurde gebannt, auch Manninger freute sich sehr darüber. "Ich hab etliche Glückwünsche abgeschickt."

Die Stärke von Klopp

Die Erfolge der Reds, die 2019 die Champions League gewannen und nun in der Premier League, da Manchester City bei Chelsea 1:2 verlor, sieben Runden vor Schluss, mit 23 Punkten Vorsprung uneinholbar sind, gehen auf die Kappe von Klopp. 2011 und ’12 war er deutscher Meister mit Dortmund, seit 2015 wirkt er in Liverpool. Manninger: "Ich war dabei, als die Reise begonnen hat. Und jeder im Verein wusste, dass es so kommen würde. Klopp hat eine Hand für Spieler und versteht es, aus jedem alles herauszuholen. Aus einem durchschnittlichen Spieler macht er einen guten, aus einem guten einen ausgezeichneten, und einen ausgezeichneten macht er auch noch besser."

Manninger war dem zehn Jahre älteren Klopp altersmäßig näher als den meisten anderen Spielern. Er war, obwohl er nicht mehr zu Einsätzen kam, dankbar für die Chance. "Liverpool, das ist Gänsehaut pur. 25 Mal Anfield Road, das war 25 Mal Gänsehaut pur." Die Stimmung sei "einzigartig", speziell wenn die Fans vor Spielbeginn das berühmte You’ll Never Walk Alone intonieren.

Nach der Champions League hat Jürgen Klopp mit Liverpool auch die Premier League gewonnen. "Klopp ist viel mehr als ein Coach", sagt Alexander Manninger.
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Der ÖFB-Teamgoalie (34 Länderspiele) war ein Weitgereister in Sachen Fußball, Stationen waren Austria Salzburg, Steyr, GAK, Arsenal London, Florenz, Espanyol, Torino, Bologna, Siena, RB Salzburg, Udinese, Juventus Turin und Augsburg. "Ich kann sagen, ich hab’ das eine oder andere Stadion gesehen. Aber keines kommt an die Anfield Road heran."

Ein 0:4 mit Arsenal

Und am Schluss eben Liverpool. "In der Premier League hab ich mit 20 begonnen und mit 40 aufgehört." Als Jungspund hatte Manninger in Arsenals Meistersaison 97/98 nicht selten den verletzten David Seaman zu ersetzen, auch an der Anfield Road. "Goalies haben da manchmal Schmerzhaftes erlebt." An ein 0:4 im Mai 1998 erinnert er sich, Arsenal stand aber als Meister bereits fest, das linderte den Schmerz.

Was Arsene Wenger für Arsenal war, könnte Jürgen Klopp für Liverpool werden. Wer sollte die Reds stoppen? Nur ein Titel fehlt auf Manchester United, natürlich will Klopp den früheren Rekordmeister Liverpool auch in der Statistik wieder zur Nummer eins machen. "Klopp ist viel mehr als ein Coach", sagt Manninger. "Er ist vor allem ein Lehrer und Psychologe. Er versteht die Spieler, kann sich in alle hineinversetzen. Talente, Routiniers, Legionäre – er horcht in sie hinein, geht mit jedem Einzelnen richtig um. Und er kann unglaublich motivieren. In Liverpool hat das Training jeden Tag Spaß gemacht, das ist ja auch nicht überall so."

Nach einer Saison war für Manninger endgültig Schluss, er wollte den Körper nicht länger schinden. Dafür spielt er jetzt begeistert Golf, er ist Vorstandsmitglied des GC Salzkammergut und als gelernter Tischler "eine Art Hausmeister im Freundeskreis". Liverpool hat er zuletzt im Dezember des Vorjahrs besucht, ein Stadionbesuch ist sich nicht ausgegangen. So oder so ist er stolz darauf, ein kleiner Teil der Reds-Geschichte zu sein. Und das Gänsehautfeeling vergisst er nie. (Fritz Neumann, 26.6.2020)