Sopranistin Krassimira Stoyanova in Hochform

johannes ifkovits

Hört man Sopranistin Krassimira Stoyanova, scheint die Zeit irgendwie stillzustehen. Sie war vor fünf Jahren in Harry Kupfers Salzburger Rosenkavalier eine überragende Marschallin. Und sie wird selbige Rolle im Dezember an der Wiener Staatsoper darstellen. Und wird jene Form berücksichtigt, in der sich die Bulgarin nun bei ihrem kleinen Liederabend präsentierte (im mit 100 Zuhörern verordnet schütter besetzten Haus am Ring), so wird Ende des Jahres abermals das Gefühl aufkommen, die Zeit könne ihren vokalen Qualitäten gar nichts anhaben.

Der Abend der Miniaturen wurde zwar heiter mit Sergej Rachmaninows Vesenniye vody op. 14/11 offiziell beendet. Das geheime Motto schien insgesamt allerdings eher Richtung Melancholie zu tendieren. Auch in einer der Zugaben – Mussorgskis Wo bist du, kleiner Stern? – offenbarte sich, warum: Stoyanovas Stimme kommt besonders im Lyrisch-Schwermütigen zu sich.

Tierfgreifend ergreifend

Natürlich gehört zur tiefergehenden Darstellung von Minidramen, die Lieder bisweilen ja auch sind, Flexibilität des Ausdrucks. Stoyanova demonstriert sie, begleitet von Pianist Ludmil Angelov, bei Puccini. Besonders jedoch bei Rachmaninow und Tschaikowski, wenn sich das Tragische emphatisch ins Dramatische aufschwingt.

Überall eine Leichtigkeit der Technik, die jedoch nichts von selbstzweckhafter Demonstration auf sich hat: Zu düsteren Klavierwendungen bei Tschaikowskis Wiegenlied op. 16/1 enthält ein langer hoher Ton nebst Pracht eben auch das besondere Etwas quasi in Form einer Träne, die mitklingt. Und bei Ja li v pole da ne trawuschka bila op. 47/7 zeigt sie mit einer abwärts schwebenden Linie, dass ihre Stimme auch über alle Lagen hinweg ohne Brüche ein expressives Legato gerundet und ohne Fragilität vollführen kann. Es war große Kunst in einem gefühlt fast leeren Haus. (Ljubiša Tošic, 27.6.2020)