Manfred Honeck und die Symphoniker in guter Form.

Monika Rittershaus

Die große Europatournee war beendet und hatte neben rauschenden Erfolgen auch Tête-à-Têtes mit komponierenden Kollegen wie Johannes Brahms, Gustav Mahler und Richard Strauss mit sich gebracht. Und doch fand sich Peter Iljitsch Tschaikowsky Ende März 1888 in einem Wiener Hotel sowie in einem veritablen Motivationstief wieder: "Das Alter klopft an, vielleicht ist auch der Tod nicht mehr fern. Lohnt sich denn das alles noch?", notierte er fragend in sein Tagebuch. Verständlich: Mit Ende 40 hat man es nicht leicht!

Im ländlichen Russland derrappelte sich der Komponist wieder und komponierte seine fünfte Symphonie. Sie war voll von Schicksalsschlägen und Schwermut, aber auch erfüllt von Schwärmerei und Stolz.

Das Beste geben

All das und viel mehr war in der Wiedergabe des Werks enthalten, welche die Wiener Symphoniker und der Dirigent Manfred Honeck am späten Samstagnachmittag im Wiener Musikverein zum Besten gaben. Es war ein Konzert so gehaltvoll, beseelt und intensiv, wie man es wohl nur alle paar Jahre einmal erlebt.

Im Vergleich zum Auftritt mit Philippe Jordan vor zwei Wochen schienen speziell die Streicher wie ausgewechselt: diese Präzision, diese Einfühlsamkeit, diese Leidenschaft! Beeindruckend diese Mitsprache, dieses Sich-Einbringen jedes Einzelnen!

Die 37 einleitenden Takte dieser Symphonie waren denn auch eine Erzählung für sich. Die Eröffnung des langsamen Satzes: Man hörte die Nebel der Depression und des Todes herannahen. Überhaupt: dieser dunkle Samt der tiefen Streicher ... Auch die vorangegangene Ouvertüre zu Verdis Oper La forza del destino war nie Theaterdonner, sondern immer von existenziellem Ernst erfüllt. Ganz große Kunst, nah dran am Menschen.

(Stefan Ender, 29.6.2020)