"Die Frist ist um": Tomasz Konieczny als Wagners Holländer

Pöhn

Staatsoperndirektor Dominique Meyer wäre, mehrfach hat er es betont, gerne in Wien geblieben. Und wäre er dabei auch Direktor geblieben, er hätte sicher noch einen Versuch mit Mozarts Opern unternommen.

Besonders die drei Da-Ponte-Werke hätte er wohl in neuen Inszenierungen präsentiert. Es wurden zu Beginn seine Ära (nach dem gelungenen Einstand mit Hindemiths Cardillac) just Don Giovanni und Figaro in der Version von Jean-Louis Martinoty (zu Recht) Opfer einer nicht sonderlich begeisterten Rezeption. In diesem Zusammenhang war es dann zu ersten Spannungen zwischen Meyer und dem damaligen Musikdirektor Franz Welser-Möst gekommen, der das Haus später dann auch tatsächlich verließ. Mozart aber war der Beginn der Meinungsverschiedenheiten.

Klänge nach dem Shutdown

Dass den scheidenden Direktor der seinerzeitige Umgang mit seinen Mozart-Ideen auch weiterhin als ungerecht wurmt, konnte irgendwie auch aus der Programmierung seines Abschiedsabends herausgedeutet werden.

Der gesamte erste Teil (es gab eine Pause an diesem Drei-Stunden-Abend ...) war Amadeus gewidmet. Die orchestralen Klänge – die ersten seit dem Shutdown – kreisten um die Figaro-Ouvertüre, die Ádám Fischer mit dem Staatsopernorchester höchst energisch anlegte. Auch die vokalen Manifestationen erstrahlten im Lichte der Da-Ponte-Opern: Olga Bezsmertna zauberte etwa delikateste Lyrik als Gräfin bei Dove Dono herbei, glanzvoll Valeriia Savinskaia mit Temerari ... Come scoglio aus Così.

Abend mit den Kindern

Der bunte Adieuabend – es dirigierte auch der herzhafte Marco Armiliato – war frei von ganz großen Namen und insgesamt niveauvoll auch dank u. a. Daniela Fally, Jongmin Park und Valentina Nafornita, Chen Reiss und Adam Plachetka. "Man hätte natürlich nochmals eine Gala mit großen Stars machen können", erklärte Meyer, "aber ich habe mir gedacht: Ich mache lieber einen Abend mit all meinen Kindern." Als er dies sprach, war er längst auf der Bühne erschienen, um nicht nur verbale Ehrungen durch Heinz Fischer zu empfangen.

Holding-Geschäftsführer Christian Kircher erkor Meyer zum Ehrenmitglied der Staatsoper. Selbiger dankte und versprach, ein "Botschafter Wiens zu bleiben", auch wenn ihn das Außenministerium wohl nicht mit dieser Aufgabe bedacht hatte.

Man ist verzaubert

Ziemlich gut fasste der scheidende kaufmännische Direktor Thomas Platzer die leicht sentimentale Stimmung in Worte. Nunmehr ebenfalls Ehrenmitglied, sprach er über die Arbeit an der Oper: "Man hofft, es hört nicht auf, man ist verzaubert. Aber es hört auf." Und so ist es.

"Die Frist ist um", hatte der grandiose Tomasz Konieczny zuvor als Wagners Holländer gesungen. Und es hätte auch als Motto des Abends sein können.

Ab Mittwoch (1. Juli) trägt Bogdan Roščić die Direktorenlast der Staatsoper. Dominique Meyer geht nach 3800 Aufführungen (in zehn Jahren) an die Mailänder Scala (auch eine schöne Last) und hinterlässt seinem Nachfolger 15 Millionen Euro an Reserven. Insgesamt war es "mir eine Ehre". (Ljubiša Tošić, 28.6.2020)