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Zum ersten Mal gewann in Afrika der Herausforderer die Wahlwiederholung: Lazarus Chakwera ist Präsident Malawis.

Foto: AP

Hätte sich ein Fremder am Samstagabend auf Lilongwes Straßen verirrt, hätte er den Eindruck gewinnen müssen, dass Malawi Fußballweltmeister wurde. Fähnchen schwingende Menschen, die sich freudetrunken in die Arme fielen; hupende Autos, aus deren Fenstern sich frenetisch winkende Passagiere beugten; Feuerwerk, das den Himmel der malawischen Hauptstadt aufleuchten ließ. Die sozialen Netzwerker übten sich zugleich in Pathos: "Ich bin geehrt, eine Malawierin zu sein", postet eine gewisse Captain Melo. "I am deep in my feels", fügt eine sich "Happy New Malawi" nennende Twitter-Userin hinzu.

Der Anlass des Überschwangs: Die malawische Wahlkommission gab die Ergebnisse der Präsidentenwahl bekannt – und die hat ausnahmsweise nicht der Amtsinhaber gewonnen. Vor 13 Monaten war das Ergebnis noch anders ausgefallen: Damals hatte Peter Mutharika seinem Herausforderer Lazarus Chakwera noch knapp den Rang abgelaufen. Das Verfassungsgericht hatte den damaligen Urnengang jedoch für ungültig erklärt, unter anderem weil zahlreiche Wahlzettel mit Tipp-Ex "korrigiert" worden waren. Diesmal kam die von Chakwera angeführte "Tonse-Allianz" auf fast 60 Prozent der Stimmen, während sich Mutharika mit knapp 40 Prozent zufriedengeben musste.

Sieg der Zivilgesellschaft

Es ist das zweite Mal in Afrikas Geschichte, dass Richter eine Wahl für ungültig erklärten – und das erste Mal, dass bei der Wiederholung der Abstimmung die Gegenseite gewann. Die jüngsten Vorgänge in Malawi wurden nicht nur auf dem Kontinent mit großem Interesse verfolgt: Sie werden als Sieg der Zivilgesellschaft, der Gewaltenteilung und Demokratie gewertet. Das ganze Jahr über waren Tausende von Malawiern immer wieder auf die Straße gegangen und von der Polizei verprügelt worden, mehr als 200 von ihnen landeten im Gefängnis. Unterdessen zeigten die malawischen Richter sowohl Rückgrat wie Durchhaltevermögen: Auch Bestechungsversuche erweichten sie nicht. Schließlich blieb Amtsinhaber Mutharika nichts anderes übrig, als noch am Samstagabend seine Niederlage einzuräumen.

Nicht ohne seinen Widerwillen zu Protokoll zu geben: Die Wahl sei von zahlreichen Unregelmäßigkeiten – auch Gewalt gegenüber seinen Anhängern – geprägt gewesen, schalt Mutharika: "Der schlechteste Urnengang in der Geschichte Malawis."

Dagegen sprachen die einheimischen Wahlbeobachter von einer "freien und fairen" Wahl. Wegen der Corona-Pandemie gab es diesmal keine Beobachter aus dem Ausland: Das letzte Mal hatten sowohl die Entsandten der Afrikanischen als auch der Europäischen Union dem später annullierten Urnengang ihren Segen erteilt. Ein peinliches Kapitel der internationalen Wahlbeobachtung.

Freiwillig abgetreten

Mutharika schreckte vor einer Nichtanerkennung der Wahlen allerdings zurück: Vermutlich wird er den Urnengang auch nicht vor Gericht anfechten. Der seit sechs Jahren regierende Präsident räumte am Sonntag freiwillig die Residenz. Beobachter loben, dass sich das Militär vorbildlich aus dem Konflikt zurückgehalten habe: Die Generäle hätten Mutharika wissen lassen, dass sie für einen Putsch nicht zu haben sind.

Der neue Präsident hat die Macht bereits am Sonntag mit seiner Angelobung in Lilongwe übernommen. Lazarus Chakwera studierte einst in Südafrika und den USA Theologie und war danach in seiner Heimat als Priester einer Pfingstkirche tätig, bis er sich vor wenigen Jahren der Politik zuwandte. Er versprach seinen Landsleuten, aus dem drittärmsten Staat der Welt ein Land mit mittlerem Einkommen zu machen: Dafür sollen eine Million Arbeitsplätze geschaffen und der Korruption der Kampf angesagt werden. In seinem Unterfangen wird Chakwera auf jede Unterstützung angewiesen sein. "Thank you, my Lord Jesus", postete der 65-Jährige nach seinem Wahlsieg auf Twitter. (Johannes Dieterich, 28.6.2020)