Wenn zur aktuellen Corona-Pandemie verschiedene Verschwörungstheorien über 5G, Bill Gates oder die WHO kursieren, fügt sich dies in eine lange Tradition von Erklärungsversuchen für Katastrophen und Krankheiten ein. In der Frühen Neuzeit hielt sich etwa die Vorstellung, "Pestilenzen" und anderes Unheil würden durch Kometen angekündigt beziehungsweise ausgelöst. Als im Winter 1680/81 kurz nach einer verheerenden Pestepidemie einer der spektakulärsten bislang von Menschen beobachteten Kometen am Himmel erschien, führte dies mancherorts zu drastischen Maßnahmen, mit denen man das kommende Unheil abzuwenden versuchte.

Nürnberg zur Kometenerscheinung von 1680/81.
Foto: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, CC BY NC ND

Tiefe Einschnitte in den Alltag der Menschen

In Regensburg wurde etwa wegen eines Kometen am 30. Dezember 1680 per Ratsdekret angeordnet, "alles sündige Wesen ungesamt abzulegen", im Speziellen die "höchstschädliche Kleiderpracht", "Winkeltänz", "Mummerey" (Maskerade) und "das unanständige Schlittenfahren". Andernorts reichten die Maßnahmen sogar noch weiter. In Lübeck wurde der 10. Februar 1681 zum Buß- und Bettag erklärt, wobei bußfertige Handlungen über mehrere Tage hinweg bis ins Detail geplant wurden. Wann die Kirchenglocken zu läuten hätten, wurde genauso vorgegeben wie die anzusprechenden Bibelstellen und die Menge der Predigten, die man zu halten hatte. Man musste das Orgelspiel einstellen, Bußlieder singen und Bußgebete sprechen. Troels Arnkiel, der Pastor einer nahe gelegenen Stadt, gab an, dass am 10. Februar "bey wilkührlicher Straffe" auch "alle KleiderPracht" in Lübeck verboten gewesen sei, ebenso das Öffnen der Tore, das Ausschenken von Bier sowie Essen und Trinken generell. Ein Pfarrer in Torgau berichtete, dass auch in Wien wegen des Kometen eine Verordnung ergangen sei, die bei "hoher Leib= und Lebens=Straffe" alle "üppige Lust" verboten habe. Eine derartige Verordnung konnte allerdings nicht aufgefunden werden.

Von göttlichen Zeichen und giftigen Dämpfen

Derlei durch Kometenerscheinungen bedingte Einschnitte in den Alltag der Menschen waren zwar relativ selten, aber nicht neu. Seit der Antike war die Vorstellung verbreitet, Kometen seien von den Göttern beziehungsweise von Gott gesandte Wunderzeichen. Als Teil der Schöpfung dienten sie vor allem dazu, die Menschen zur Buße für sündhaftes Verhalten zu ermahnen und vor künftigen Strafen zu warnen. Diese Annahme wurde auch durch Theorien gestützt, die dafür sprachen, dass Kometen dieses Unheil auf physikalische Weise bewirkten. Man berief sich auf Autoritäten wie Aristoteles, der in seiner "Meteorologica" Kometen als atmosphärische Phänomene beschrieb. Man glaubte, dass von den Kometen giftige Dämpfe ausgingen, die bei Mensch und Tier Krankheiten auslösten und Ernten vernichteten.

Frontispiz eines Kometentraktats von Pierre Petit.
Foto: Bayerische Staatsbibliothek München, Res/4 Astr.p. 522,26, Frontispiz.

Kritik an der Deutung von Kometenerscheinungen

Um 1680 war Kritik an den negativen Deutungen von Kometen rar gesät. Wichtige Denker wie Tycho de Brahe oder Michael Mästlin hatten zwar schon Ende des 16. Jahrhunderts berechnet, dass Kometen jenseits des Mondes (supralunar) stünden, was die Vorstellung der Anhänger der Lehren des Aristoteles widerlegte. Um 1680 wurde dies aber keineswegs von allen als wahr und richtig akzeptiert. Auch Edmond Halleys Berechnung, dass der später nach ihm benannte Komet wiederkehren würde, bestätigte sich erst 1759. So spekulierte man bis weit ins 18. Jahrhundert, ob Kometen nun eigentlich feste oder doch gasförmige Körper seien, welchen Bahnen sie folgten und ob sie tatsächlich giftige Dämpfe mit sich brächten.

Titelblatt der Kometenflugschrift von Catharina Margaretha Fritzsche.
Foto: Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, 4 TREW.R 447/488.

Auch gegen die Interpretation als göttliche Wunderzeichen wurde vermehrt argumentiert. Denker wie Pierre Petit oder Pierre Bayle hoben hervor, dass dies nicht in der Bibel erwähnt wird und nicht nach jedem Kometen ein Unglück geschehe. Aber auch weniger prominente Stimmen brachten neue Argumente ein. Catharina Margaretha Fritzsche, eine Leipziger Verlegerin, erkannte, dass die Vorstellung, Kometen brächten Unglück, schlicht menschengemacht ist, indem sie darauf verwies, "daß solche signa […] nur auß Menschen Gedancken und Tichten [Dichtungen] herkommen/ und nicht bey allen Völckern einerley Figur oder Nahmen haben/ […] und sehr wunderlich herauß kommen würde/ wenn einer nach solchen von ietzigen Cometen eine Bedeutung wolte herauß pressen." (Doris Gruber, 30.6.2020)