Kurzarbeit etwa bei einem Lieferservice? Die Finanzpolizei schaut genau hin, wenn eine vermeintliche Boom-Branche Hilfsleistungen in Anspruch nimmt.

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Wien – Nicht alle Unternehmen dokumentieren die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter. Und selbst wenn sie es tun, ist die Zeiterfassung nicht unbedingt aussagekräftig. Denn wie sollen Betriebe in Zeiten von Homeoffice nachprüfen, ob auf die Minute genau richtig ein- und ausgestempelt wurde? Entsprechend kann die Finanzpolizei nicht immer beurteilen, ob Arbeitszeiten richtig wiedergegeben werden.

Das ist deshalb ein Problem, möchte man meinen, weil die Regierung mit der Kurzarbeit ein Hilfsinstrument auf die Beine gestellt hat, wo die Förderung für Unternehmen von der Arbeitszeit abhängt. Die Ausfallstunden zahlt der Staat – das Unternehmen entlohnt die Stunden, die tatsächlich geleistet werden. Aber trotz vermeintlicher Anreize zum Schwindeln hat die Finanzpolizei seit 21. April bei 9.749 Kontrollen nur 150 Anzeigen wegen Kurzarbeitsmissbrauchs gestellt.

Konkret waren seit Ende April rund 350 Finanzpolizisten im Einsatz. Fast 10.000 Personen in Kurzarbeit wurden bundesweit in 2.493 Betrieben kontrolliert. Mit Stand letzter Woche waren noch 812.745 Menschen in Kurzarbeit – um 326.000 weniger als in der Woche zuvor.

Wie geht es nach der Kurzarbeit weiter?
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"So kulant wie möglich"

Der größte Teil der Unternehmer, die Kurzarbeit in Anspruch genommen haben, halte sich vorbildlich an die Regeln, fasste Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die bisherigen Erkenntnisse der Finanzpolizei zusammen. Die Devise bei den Corona-Hilfen und etwaigen Kontrollen sei: "So kulant wie möglich, so viel Kontrolle wie notwendig".

Wilfried Lehner, der die Finanzpolizei leitet, erklärte, dass die Kontrollen auch einen stark präventiven Charakter hätten. Unternehmen würden nicht auf die Idee kommen zu betrügen, wenn sie wissen, dass auch kontrolliert wird.

Die Kontrollen folgen laut Lehner einem dreigliedrigen Ansatz. Priorität haben demnach Anzeigen, die beim Minister, dem Arbeitsmarktservice (AMS), der Finanzpolizei oder andernorts eingehen. Diesen Anzeigen wird nachgegangen, so Lehner.

Zweitens würde man Branchen verstärkt kontrollieren, wenn diese vom Lockdown praktisch nicht betroffen waren – und dennoch Kurzarbeit angemeldet wurde. Drittens kommen vermeintliche Boombranchen dazu, etwa Lieferservices, die in der Lockdown-Phase floriert haben. Wurde in solchen Branchen Kurzarbeit angemeldet, habe man sich genau angeschaut, ob auch kein Betrug vorliegt, so der Leiter der Finanzpolizei, der aber auch von teils eklatanten Fehlleistungen berichten konnte.

Fehlleistungen

Ein Unternehmer habe etwa seine Mitarbeiter auf 90 Prozent Kurzarbeit gesetzt, aber sie dann normal weiterarbeiten lassen.

Die Finanzpolizei übermittelt die "Problemfälle" dann an das AMS, welche die Kurzarbeit abrechnet und an das Innenministerium, das sich um Förderbetrug kümmert. Bei den Abrechnungen könnten weitere Missbräuche entdeckt werden und Anzeigen folgen, erwartet Lehner.

Nicht nur Kurzarbeit

Blümel und Lehner nahmen die Pressekonferenz jedoch nicht bloß zum Anlass, über die Kontrollen bei der Kurzarbeit zu informieren. In den vergangenen zwei Monaten wurden auch 1.243 Übertretungen nach Ausländerbeschäftigungs-, Sozialversicherungs- und Arbeitsgesetz verzeichnet – um ein paar Beispiele zu nennen. Ein Strafvolumen von mehr als 3,5 Millionen Euro zeige, wie wichtig Kontrollen auch während der Krise seien, so Lehner.

Der Minister zog zudem Bilanz über die Finanzkontrollen im Bereich Lohn- und Sozialdumping. Den Kampf gegen Minderbezahlung werde man auch 2020 fortsetzen, kündigte Blümel an. 2019 hat die Finanzpolizei 1.890 Betriebe und 4.471 entsendete oder überlassene Arbeitnehmer überprüft. Rund zehn Prozent der überprüften Arbeitnehmer waren von Unterentlohnung betroffen.

Der Schwerpunkt der Kontrollen lag im Vorjahr im grenznahen Bereich. Schließlich habe man seit 2013 eine Verdreifachung der ausländischen Entsendungen nach Österreich verzeichnet. 2019 wurden rund 238.000 Arbeitnehmer nach Österreich entsandt. (luis, 29.6.2020)