Die möglicherweise illegale Verwendung von 1,1 Millionen Euro des im Innenministerium angesiedelten Wiener Stadterweiterungsfonds beschäftigt den dritten Tag ein Schöffengericht.

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Wien – Für Innenministeriums-Sektionschef V., Drittangeklagter im Verfahren um die laut Anklage illegale Verwendung von 1,1 Millionen Euro aus dem Wiener Stadterweiterungsfonds, läuft der dritte Verhandlungstag mehrheitlich positiv. Dem Spitzenbeamten wird neben Untreue als einzigem der vier Angeklagten auch Amtsmissbrauch vorgeworfen. Eine Anschuldigung, deren Stichhaltigkeit nach der Befragung der Hauptbelastungszeugin Risse bekommt.

V. soll im Jahr 2009 als Sektionschef eine Untergebene angerufen haben, damit eine Satzungsänderung des im Innenressort angesiedelten Fonds rasch erledigt wird, was er bestreitet. Durch die Änderung sollte der von der damaligen Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) gewünschte Kauf des Grundstücks für ein geplantes Asylwerberzentrum im burgenländischen Eberau mit Fondsvermögen durchführbar werden.

Zurückhaltende Zeugin

Bei ihrer Einvernahme im Jahr 2014 hatte die Beamtin, die in der Hierarchie zwei Stufen unter V. stand, noch behauptet, der Sektionschef habe ihr eine Weisung erteilt, dass das Anliegen innerhalb von zwei Stunden positiv erledigt werden müsse. Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Claudia Moravec-Loidolt ist die Zeugin nun deutlich zurückhaltender.

Denn dass Angelegenheiten priorisiert werden, sei an sich im Innenministerium nichts Ungewöhnliches gewesen. Ob V. auch ein bestimmtes Ergebnis gewünscht hat, kann sie nun, elf Jahre später, nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ihr direkter Vorgesetzter sagt ebenfalls als Zeuge, er habe sie kontaktiert, um ihr die Dringlichkeit mitzuteilen; dieser Vorgesetzte war es auch, der die Mail mit der Satzungsänderung an sie weiterleitete. Auch der zuständige Referent kann sich nicht erinnern, dass die Zeugin ihn darauf hingewiesen habe, dass Sektionschef V. die rasche Bearbeitung, die im Übrigen auch erst am nächsten Tag erfolgte, angeordnet habe.

Lanze für die vier Angeklagten

Die Belastungszeugin bricht sogar eine Lanze für die vier ÖVP-nahen Angeklagten und damit auch für V., mit dem sie ganz offensichtlich persönliche Probleme hat: "Sie haben halt wirklich versucht, Gutes zu tun!", zeigt sie sich überzeugt.

Diese guten Taten sind aber der schwerwiegendere Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Angeklagten sollen Gelder aus dem Fonds gespendet haben, ohne dass es dafür eine Grundlage gegeben habe. Denn gegründet wurde die Einrichtung durch ein Handschreiben von Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1857 als Baufonds für die öffentlichen Gebäude der Wiener Ringstraße.

Da die Ringstraße schon ziemlich fertig war, forderte der Rechnungshof schon ab 1962 die Auflösung des Fonds. Angeblich habe die Ende 2006 verstorbene Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) das Umsetzen wollen und auch den Auftrag gegeben, mit dem Fondsvermögen mildtätige und gemeinnützige Projekte zu unterstützen, behaupten die Angeklagten. Schriftliche Belege dafür können sie nicht vorlegen.

An Untergebenen delegiert

Dafür wurde im Jahr 2006 erstmals eine Satzung des Fonds verfasst. Erstangeklagter J., damals im Hauptberuf Geschäftsführer eines anderen republikeigenen Fonds, delegierte diese Aufgabe an einen Untergebenen.

Dieser Zeuge, der wiederum zur SPÖ gehört, erinnert sich vor dem Schöffensenat, von J. den Auftrag bekommen zu haben, eine "zeitgemäße" Satzung zu schreiben, schließlich war die k. k. Sprache bereits etwas veraltet. Von einer Änderung des Stiftungszwecks, weg von Baumaßnahmen und Stadtverschönerungsprojekten hin zu sozialer Tätigkeit, sei ihm aber nichts gesagt worden.

Das wundert die Senatsvorsitzende, denn angeblich sei das ja der Wunsch von Ministerin Prokop gewesen. "Es gab ja keinen Grund, einem einfachen Mitarbeiter strategische Notwendigkeiten mitzuteilen", argumentieren die Angeklagten J. und V. daraufhin.

Widersprüchliche Interpretation

V. bestätigt neuerlich, dass die Ausweitung des Fondszwecks um den Ausdruck "eigene Projekte" des Stadterweiterungsfonds auf seine Initiative erfolgte. Damit wollte man auch die soziale Tätigkeit abdecken. Der Zeuge, der den Entwurf der Satzung verfasst hat, hat anderes darunter verstanden: Er sei davon ausgegangen, dass "eigene Projekte" bedeutet, dass der Fonds beispielsweise selbst Baumeister für Renovierungsarbeiten beauftragt.

Stattdessen floss Geld an die unterschiedlichsten Empfänger: tatsächlich sozial Bedürftige, aber auch an Vereine, in denen die Angeklagten selbst Funktionen hatten. Der Erstangeklagte erhielt sogar als "Anerkennung" eine Prämie, obwohl seine Tätigkeit im Stadterweiterungsfonds dezidiert ehrenamtlich gewesen ist.

Am Dienstag wird das Verfahren fortgesetzt. (Michael Möseneder, 29.6.2020)