So intimen Spaß wird es heuer nicht geben. Die Lockerungen der Politik für große Kulturveranstaltungen sind weitgehend realitätsfremd ausgedacht.

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Normalerweise ist es eine lebendige Szene. Doch die Corona-Pandemie bremste und stoppte den Herzschlag der Popmusik in sehr vielen Bereichen. Die Veröffentlichungstermine vieler Alben wurden nach hinten verschoben, daran anknüpfend etliche Konzerttourneen. Sie sind für viele Bands das, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Die paar Cents, die wenig oder mittelbekannte Gruppen von Streamingdiensten wie Spotify überwiesen bekommen, sind mehr Hohn als Lohn. Doch nun wackeln schon viele der bereits verschobenen Termine oder liegen im Ungewissen.

Gleichermaßen hart trifft es die Veranstalter und die Clubs und Locations, in denen die Veranstalter ihre Konzerte einmieten. Während Organisatoren sonst längst ohne größere Pause das ganze Jahr lang ihren Beitrag zum kulturellen Leben des Landes leisten, sind ihre Dienste von der Pandemie ebenfalls weitgehend kaltgestellt worden.

5.000 Sessel im 10.000er-Saal?

Nun wurden seitens der Politik zwar Lockerungen in Aussicht gestellt. So werden mit 1. September Kultur- und Sportveranstaltungen indoor mit bis zu 5.000 Besuchern, outdoor mit bis zu 10.000 Besuchern möglich sein. Voraussetzung dafür ist, neben einer weiterhin guten Entwicklung der Infektionszahlen, ein Präventionskonzept sowie Tracking. Klingt gut, ist aber im Reality-Check eine untaugliche Maßnahme und bestenfalls hochkulturtauglich.

Denn die erlaubten Besucherzahlen gelten für Sitzplätze, die meisten Popkonzerte sind jedoch Veranstaltungen mit stehendem Publikum, und dabei ist der nach wie vor empfohlene Abstand von einem Meter schwer einzuhalten. Ein Konzert für 5000 Besucher müsste also bestuhlt und in einem Saal mit doppelt so viel Platz veranstaltet werden. In Österreich gibt es genau drei Hallen, die diese Rahmenbedingungen theoretisch bieten würden: eine in Wien, eine in Graz, eine in Linz.

Gleiche Rechte wie Discos

Ewald Tatar ist der größte Konzertveranstalter des Landes. Mit seiner Firma Barracuda Music wickelt er jährlich mehrere Hundert Konzerte in ganz Österreich ab. Von der kleinen Clubshow bis hin zum größten Rockfestival, dem mehrtägigen Nova Rock im Burgenland. Er sieht zweierlei Maß. "In Discos dürften bis zu 500 Gäste tanzen, schwitzen und sich um Getränke anstellen und sich aus nächster Nähe anschreien, Stehkonzerte in dieser Größe dürfen aber nicht stattfinden", sagt er. "Und nichts gegen die Discos, ich vergönne es ihnen wirklich."

Tatsächlich dürften heuer nur noch sehr wenige Konzerte stattfinden, wenn, dann hauptsächlich mit Auftritten von heimischen Bands oder aus dem benachbarten Ausland.

Heuer noch britische oder US-Bands sehen zu wollen ist eher illusorisch. Denn angesichts der immer noch nach oben gehenden Zahl von Neuinfektionen in den USA dürften die wenigsten überhaupt einreisen. Oder nur unter harten Auflagen. Und kaum eine Band kann oder will es sich leisten, sich auf einer Tour beständig in Quarantäne zu begeben oder sich Tests zu unterziehen. Der logistische Aufwand wäre enorm, die Unsicherheit und die Kosten zu groß.

Ein Feldversuch ...

Tatar und andere Veranstalter vermissen eine Perspektive. Die kann oder will die Politik ihnen nicht geben. Niemand weiß, wie sich die ersten Lockerungen in der Statistik der Neuinfektionen auswirken, das schlägt sich längst auf die Planung für die ersten beiden Quartale von 2021 nieder.

Und nicht nur für sich und seine Firma vermisst Tatar eine Perspektive. Es geht um 650.000 bis 700.000 schon gekaufte Tickets. "Auch die Besucher haben ein Recht darauf zu erfahren, wann es wieder losgehen wird."

... mit einer heimischen Band

International gibt es keine Vorbilder. Manche suchen in Open-Air-Veranstaltungen ihr Heil, doch auch da stellt sich die Frage, mit welchen Bands und unter welcher Bedingungen. Der Wille seitens der Veranstalter ist jedenfalls groß, klar, hierzulande gibt es ein Konzept, das Tatar der Politik vorgelegt hat.

Es geht um die Abhaltung von Konzerten für 2.500 bis 3.000 Besucher, dafür gibt es den Vorschlag, mit Freiwilligen einen Feldversuch mit einer bekannten heimischen Band im Wiener Gasometer zu unternehmen. Details will Tatar keine nennen. Aber man kann sich ausmalen, dass es ein Vorschlag ist, mit dem die Veranstalter leben könnten und die Politik zufrieden sein müsste. Derweil zählen sie wie der Rest der Menschheit die Tage bis zur Impfung. (Karl Fluch, 30.6.2020)