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"Eins ist wie keins – und zwei sind wie drei", so lautet ein Sprichwort. Doch wie gestaltet sich dann ein Leben mit drei Kindern?

Foto: Getty Images/AHPhotoswpg

Frage:

"Wir haben schon zwei Kinder, aber immer wieder überlegen mein Mann und ich, ob wir nicht ein drittes möchten. Ich wollte schon immer eine große Familie mit vielen Kindern haben, nun bin ich aber schon 41, und deswegen müssten wir das Projekt Baby jetzt gleich starten, ehe es nicht mehr geht. Das Problem ist, dass vor allem ich in den letzten Jahren beruflich sehr stark zurückgesteckt habe, während mein Mann eine Firma aufbaute. Das ist bei uns oft ein Streitthema, weil ich primär die Kinder übernehme und meine Karriere außen vor ist. Bei drei Kindern wird es wohl nicht besser.

Zudem haben wir keine Unterstützung vonseiten der Großeltern, weil sie zu weit weg leben. Und ich kann mir vorstellen, dass es auch überaus schwierig ist, für drei Kinder dann noch einen Babysitter zu finden. Ich fühle, ich will noch ein drittes Kind – mein Körper sehnt sich regelrecht danach, aber mein Kopf macht sich da sehr viele Gedanken. Mein Mann ist übrigens sehr neutral eingestellt. Er ist mit den zwei Kindern glücklich, würde sich aber auch über ein drittes freuen. Wie gehe ich also am besten vor, um möglichst bald eine Entscheidung zu treffen?"

Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Viele Menschen haben das Problem, dass sie abwägen müssen, ob sie Kinder oder Karriere in den Vordergrund ihrer Lebensplanung stellen. Beides ist zeitintensiv und daher kaum befriedigend unter einen Hut zu bringen. Frauen trifft dieser Konflikt deutlich stärker als Männer, denn selbst wenn die Gesellschaft sich noch so sehr um Gleichstellung bemühen würde, bleiben ja immer noch Schwangerschaft und Stillen als biologische Mehranforderung an die Mutterrolle. Sie selbst haben sich offenbar bei Ihren beiden Kindern für die bewusste Rolle als Mutter gegenüber der Karriere entschieden. So sehr dies Ihrem langen Wunsch als Mutter einer Familie mit vielen Kindern zu entsprechen scheint, so scheint diese Entscheidung doch auch an Ihrem Selbstbild zu nagen, da Ihre berufliche Karriere zurückstecken musste. Es wirkt so, als habe sich dabei die Rollenteilung zwischen Ihnen und Ihrem Mann eher zufällig ergeben, als dass sie von Ihnen so geplant gewesen wäre, was Sie ihm ein Stück weit verübeln. Allerdings ist das ein Streit um vergossene Milch.

Die Frage ist jetzt, ob Sie Ihren Karriereweg ohne ein weiteres Kind wiederaufnehmen könnten, und wenn ja, was denn daran so erfüllend und reizvoll wäre. Ist es die Arbeit selbst, die Ihnen Erfüllung und Freude bereitet, oder ist es die vermeintliche Pflicht, etwas beruflich leisten zu müssen, um äußeren Ansprüchen zu genügen? Hier finde ich immer den Blick auf den Alltag entscheidend. Entspricht der Arbeitsalltag dem Lebensentwurf, den Sie sich wünschen? Oder umgekehrt, entspricht der Alltag als Mutter der Vorstellung, die Sie von Ihrem Leben haben? Bei zwei Kindern wissen Sie ja bestens, was Sie erwartet. Und wie steht es um andere Lebensziele? Partnerschaft, Reisen, Hobbys? Würden die durch ein drittes Kind so eingeschränkt, dass es Sie stören würde? Denn dass ein drittes Kind Einschränkungen mit sich bringt, ist bei uns leider kaum zu vermeiden. Immer noch wird in unserer Gesellschaft die Aufgabe, eine Familie aufzubauen und zu unterhalten, unterbewertet, im Ansehen und finanziell. Auch das ist leider für Sie nicht zu ändern, Sie müssen es als Teil ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Am besten erörtern Sie das gemeinsam mit Ihrem Mann.

Womit wir beim Eigentlichen wären: Entscheidungen werden in unserem Denken eindeutig überbewertet. Nicht die Entscheidung selbst, sondern das, was wir aus ihr machen, ist entscheidend. Wie auch immer also Ihre Abwägung ausgehen wird, am Ende liegt es an Ihnen, daraus einen erfüllten Lebensentwurf zu machen, und das geht in beinahe jeder Lebenslage – mit Kindern oder ohne, oder in Ihrem Fall mit zweien oder eben mit dreien. (Hans-Otto Thomashoff, 2.7.2020)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
Foto: Alexandra Diemand

Antwort von Linda Syllaba

Ui, das ist eine heiße Entscheidung, die wirklich schwer zu treffen ist. Fangen wir mal ganz grundlegend an: Weshalb woll(t)en Sie überhaupt Kinder? Ich persönlich bin ja überzeugt davon, dass es in uns Menschen eben so angelegt ist, die Art zu erhalten, wie das bei Tieren der Fall ist, und zumindest die meisten Menschen irgendwann diesen inneren Drang verspüren, sich zu reproduzieren – so unvernünftig das auch sein mag in so mancher Lebenssituation. Sogar vehemente Kinderverweigerinnen habe ich schon erlebt, die plötzlich, wie aus dem Nichts heraus, die innere Uhr ticken hörten und dann dringend ein Kind wollten. Sie haben ja schon zwei, dennoch kann der innere Ruf recht laut werden, wenn das sozusagen zu Ihrem persönlichen inneren Plan vom Leben gehört. Und Ihre Worte klingen für mich sehr klar in dieser Hinsicht.

Kinder bekommt man also, weil man es selber will, zur Selbstverwirklichung gewissermaßen, weil es eben zur Vision des eigenen Lebens gehört. Allerdings kann schon ein Kind ein Fulltimejob sein und bringt so manche Mutter unter der Mehrfachbelastung von Job, Haushalt, Familie et cetera ins Schnaufen. Mit drei Kindern potenziert sich dieser Faktor logischerweise, zumal Sie keine großelterliche Unterstützung parat haben. Kurz gesagt, die Karrierefrage dürfen Sie mit einem dritten Kind getrost ein paar weitere Jahre aufs Abstellgleis stellen, was sich auf den Wiedereinstieg in mehrerlei Hinsicht auswirken wird: fehlende Berufserfahrungsjahre, technische/fachliche Weiterentwicklungen, und nicht zuletzt sind Sie dann dreifache Mutter, was von vielen Arbeitgebern leider sehr kritisch beäugt wird und Ihrerseits sehr gut argumentiert werden muss, um überhaupt wieder einen Job zu bekommen.

Sie werden ein starkes und stabiles Netzwerk zur Kinderbetreuung brauchen, einen Partner, der mitzieht, und wirklich gute Nerven, um das zu schaffen. Natürlich ist es möglich, doch ein Spaziergang ist es wohl eher nicht. Nicht nur Babysitter, sondern auch Transportfragen, Urlaubsreisen, ganz normale Alltagsdinge gestalten sich mit jedem zusätzlichen Kind herausfordernder. Das sind rein praktische Überlegungen, die man alle bewältigen kann.

Lassen Sie mich auf den Punkt kommen: Wenn es Ihnen jetzt schon wehtut, die berufliche Entwicklung vernachlässigen zu müssen, empfehle ich Ihnen, mit der Entscheidung für das dritte Kind die Karriere im eigenen Kopf bewusst erwartungstechnisch deutlich nach hinten zu schieben, wenn nicht sogar abzuschreiben. Schon allein deshalb, um sich selbst den Druck zu nehmen, alles schaffen zu "müssen". Im Zweifelsfall werden Sie Ihre Kinder zu betreuen haben, das ist auch ein Job, für den Sie sich entscheiden können beziehungsweise schon entschieden haben. Vielleicht sollten Sie sich lieber noch einmal mit Ihrem Mann zusammensetzen und überlegen, wie zwischen Ihnen diese Aufgabe "bewertet" wird. Wie können Sie wirtschaftlich abgesichert werden für den Trennungsfall? Wie können Sie sich vor Altersarmut schützen wegen fehlender Pensionsjahre, die sie der Familie "geschenkt" haben? Wenn Sie Ihrem Mann das Aufbauen seiner Firma ermöglicht haben, während Sie auch seine Kinder großgezogen haben, wie kann er Sie also vor den Tücken dieser Aufteilung schützen? Es ist ja auch seine Entscheidung, und trotzdem ist er wirtschaftlich auf der sichereren Seite, weil er all die Jahre arbeiten ging/geht. Sollten Sie gemeinsam befriedigende Antworten finden können (machen Sie diesbezüglich Vereinbarungen – am besten schriftlich), denke ich, steht der Entscheidung für ein drittes Kind nichts im Weg. (Linda Syllaba, 2.7.2020)

Linda Syllaba ist diplomierte psychologische Beraterin, Familiencoach nach Jesper Juul und Mutter. Aktuelles Buch: "Die Schimpf-Diät" (2019).
Foto: Bianca Kübler Photography