Unter der Hitze in der Stadt leiden vor allem ältere Menschen. Zudem sind Personen mit niedrigerem Bildungsniveau und geringerem Einkommen im Schnitt stärker von Klimafolgen betroffen.

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In den vergangenen Jahrzehnten ist die Lebenserwartung in Österreich wie in vielen anderen Ländern kontinuierlich gestiegen. Eine häufige Faustregel für den Anstieg lautet: drei Jahre innerhalb einer Dekade. "In jedem Jahrzehnt altern wir um sieben Jahre, die restlichen drei werden uns geschenkt", sagt Erich Striessnig, Professor für Demografie und nachhaltige Entwicklung an der Universität Wien. Doch dass sich dieser Trend auch in den kommenden Jahrzehnten überall auf der Welt fortsetzen wird, ist keineswegs gewiss.

Demografische und klimatische Entwicklungen beeinflussen sich gegenseitig auf vielfältige Weise. Eine größere Weltbevölkerung führt zu höherem Ressourcenverbrauch und beschleunigt den Klimawandel. "Es kommt aber nicht auf die schlichte Zahl an Menschen an", sagt Striessnig. "Man muss auch berücksichtigen, dass es große Unterschiede in den Konsumgewohnheiten gibt." Der durchschnittliche Bewohner von Burkina Faso verursacht nach wie vor viel weniger CO2 als ein Österreicher. Die Frage, wie viele Menschen der Planet ertragen kann, hängt daher vor allem von deren Ressourcenverbrauch ab. "Zehn Milliarden Menschen, die so wie wir im Westen konsumieren, verträgt die Erde sicherlich nicht. Zehn Milliarden Menschen, die verantwortungsbewusst und nachhaltig konsumieren, vielleicht schon", sagt Striessnig.

Ungleiche Verursacher

Eine globale Ungleichheit ist nicht nur festzustellen, wenn es um die Verursacher des Klimawandels geht, sondern auch bei den Betroffenen von Klimafolgen. "Die Gesellschaften im Globalen Süden werden viel stärker vom Klimawandel betroffen sein, und sie sind auch weniger resilient gegenüber Klimaveränderungen", sagt Striessnig. Wenn es etwa in Regionen südlich der Sahara immer häufiger zu Missernten wegen Trockenheit kommt, wird der dortigen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen.

"Vielen Menschen wird früher oder später nichts anderes übrigbleiben, als sich auf den Weg nach Europa zu machen", sagt Striessnig. "Es wäre ein großer Fehler, wenn die reichen Länder erst dann Maßnahmen setzen. Wir müssen jetzt in die Vorsorge in diesen Ländern investieren. Niemand geht freiwillig weg, wenn die Lebensbedingungen passen."

In Österreich nehmen sich die zu erwartenden demografischen Auswirkungen durch den Klimawandel dagegen als Luxusprobleme aus. Aber auch hierzulande zeigt sich, dass unterschiedliche Bevölkerungsgruppen verschieden stark betroffen sein werden. Eine Auswirkung, die bereits in den vergangenen Jahren beobachtet werden konnte, ist, dass Hitzewellen zu Übersterblichkeit vor allem bei älteren Menschen führen. Für die Lebenserwartung könnte das bedeuten, dass sie auch in Zukunft ansteigt, aber weniger stark als in den vergangenen Dekaden.

Zweitwohnsitz im Kühlen

Das Alter ist nicht der einzige Faktor, der eine Rolle dabei spielt, wie stark man von Klimafolgen getroffen wird. In einer Arbeit die Striessnig vor ein paar Jahren mit Kollegen im Fachblatt "Science" veröffentlichte, konnte das Team einen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Bildungsniveau und der gesellschaftlichen Vulnerabilität gegenüber Klimafolgen aufzeigen. "Je nachdem, wie gebildet und finanzstark Bevölkerungen sind, können sie in höherem Ausmaß Vorsorgemaßnahmen treffen und die Notwendigkeit dafür verstehen. Solch bessere Einsicht führt zu deutlich höherer Befolgung von Notmaßnahmen im Katastrophenfall."

Auch in Österreich gibt es regional beträchtliche Unterschiede im durchschnittlichen Bildungsniveau. In Wien beispielsweise ist die Bevölkerung im ersten oder achten Bezirk wesentlich gebildeter als im zehnten oder elften Bezirk. "Die Bewohner der durchschnittlich höher gebildeten, aber auch einkommensstärkeren Bezirke können sich üblicherweise in ihre Zweitwohnsitze außerhalb der städtischen Hitzeinsel flüchten oder sind mit Klimaanlagen auf künftige Hitzewellen vorbereitet", sagt Striessnig.

Auch in diesem Fall sei die Vorsorge besser und billiger als die Folgekosten, so Striessnig: "Wir wissen, wo die Hotspots mit besonders hoher Vulnerabilität gegenüber Klimafolgen liegen – in Wien und in anderen Teilen der Welt. Genau in diesen Risikogebieten sollten wir rechtzeitig etwas unternehmen." (Tanja Traxler, 7. 7. 2020)