Vor Gericht müssen auch gesellschaftlich hochstehende Zeugen wie Maria Fekter und Christoph Kardinal Schönborn so wie alle anderen auf den nicht mehr ganz taufrischen Sesseln vor den Sälen warten, bis sie aufgerufen werden.

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Wien – Als vorurteilsbehafteter Spötter würde man ja davon ausgehen, dass sich das Wort Gottes in Transdanubien – also den nördlich der Donau gelegenen Bezirken Wiens – nur mit Feuer und Schwert verbreiten lässt. Die katholische Kirche setzt aber natürlich auf friedfertige Kirchenbauten. So soll auch in der Seestadt Aspern in Wien-Donaustadt ein Kultgebäude errichtet werden – 250.000 Euro für die Baukosten spendete der im Innenministerium angesiedelte Wiener Stadterweiterungsfonds bei. Illegalerweise, behauptet die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – und brachte die vier Männer, die den Fonds verwalteten, mit einer Untreueanklage vor einen Schöffensenat unter Vorsitz von Claudia Moravec-Loidolt.

Am vierten Prozesstag steht hochrangiger Besuch auf dem Programm: Neben der ehemaligen Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) sagt auch Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, als Zeuge aus.

Dahintümpelnder Fonds

Zur Erinnerung: Der Wiener Stadterweiterungsfonds (WSEF) wurde 1857 durch Kaiser Franz Joseph I. gegründet, um die Ringstraße und deren öffentliche Bauten zu errichten. Die Ringstraße wurde gebaut, der Fonds blieb im Innenministerium und tümpelte vor sich hin. Im Jahr 2005 soll die seinerzeitige Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) laut den Angeklagten gefordert haben, den WSEF aufzulösen und die Mittel für karitative Zwecke zu verwenden.

Eine schriftliche Bestätigung für diesen Wunsch gibt es nicht, Prokop ist im Dezember 2006 verstorben. Es wurde auch nie ein Antrag auf Auflösung des Fonds gestellt. Die Anklage vermutet daher anderes: Die Angeklagten, von denen drei als ÖVP-nahe gelten, sollen den WSEF als Füllhorn verwendet und insgesamt 1,1 Millionen Euro satzungswidrig gespendet haben. Unter anderem an Vereine, bei denen sie selbst Funktionen hatten.

Opus Dei vermittelte Kontakt

Wie die Befragung von Kardinal Schönborn zeigt, mussten sich die Beschenkten nicht einmal bewerben. Der Chef des Opus Dei in Österreich vermittelte einen Termin zwischen dem Erstangeklagten J., einem zweiten, nicht angeklagten Beamten und dem Erzbischof.

"Die Herren waren am 9. Juli 2008 bei mir", liest Schönborn aus seinen damaligen Notizen heraus. "Herr J. sagte, dass der Stadterweiterungsfonds aufgelöst wird und die Erzdiözese daraus Geld bekommen könnte." Er, Schönborn, habe den Stadterweiterungsfonds sofort mit dem Altstadterhaltungsfonds assoziiert, aus dem die Kirche ebenfalls Geld erhält.

Auch zum Thema Stadterweiterung hatte er sofort eine Assoziation: das Stadterweiterungsgebiet in der Seestadt Aspern, wo die Erzdiözese eigentlich bis 2012 eine Kirche errichten wollte. Am 19. August schrieb Schönborn daher einen Brief an J., in dem er um eine Spende ersuchte, die am 10. Oktober bewilligt wurde.

Kirche seit acht Jahren überfällig

"Was ist aus der Kirche geworden?", interessiert die Vorsitzende. "Eine lange Geschichte", antwortet Schönborn. "Vielleicht können Sie sie knapp erzählen", fordert ihn Moravec-Loidolt auf. Der Erzbischof bemüht sich: Die Seestadt sei viel, viel langsamer als geplant erschlossen worden. Es gebe zwar ein Grundstück, auf dem die Kirche und möglicherweise Kultstätten anderer Religionen errichtet werden sollen, "aber das liegt in der Pampa". Erst jetzt werde der Sektor H2 bebaut, im Juli soll eine Jury den Siegerentwurf für die Kirche küren.

Das Geld aus dem Innenressort liege seit 2008 zweckgewidmet auf einem Kirchenkonto, beteuert Schönborn. Seines Wissens nach habe aber nie mehr jemand aus dem Ministerium nachgefragt, ob das Geld auch korrekt verwendet werde. Dass er es möglicherweise gar nicht annehmen hätte dürfen, da Aspern ja nicht in der Innenstadt liegt, habe er nicht gewusst, er habe sich auf die Experten aus dem Innenressort verlassen.

Ministerin und Asylaufnahmezentrum

Das tat auch Maria Fekter in ihrer Amtszeit von Juli 2008 bis April 2011. Sie habe zwar von der Existenz des WSEF gewusst, bewusst wahrgenommen habe sie ihn aber erstmals im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung eines Asylaufnahmezentrums in Eberau. Das Grundstück dafür wurde nämlich mit Geld aus dem WSEF gekauft.

Dass das Burgenland kein Teil Wiens ist, fiel auch Fekter auf. Vor Gericht drückt sie es in der schönsten Sprache der Welt, also Oberösterreichisch, so aus: "Des gehd sie ned aus." Daher habe im Jahr 2009 die Satzung des Fonds geändert werden müssen. Sie habe dabei auf die Angeklagten vertraut, dass alles rechtmäßig sei, da diese ja Spitzenjuristen des Ministeriums in der Herrengasse gewesen seien.

"Nein, ich wusste nichts!"

Dass es auch Spenden für karitative Zwecke aus dem WSEF gibt, habe sie zwar gewusst, aber nicht, wie viel Geld an wen geflossen ist. "Mit der operativen Führung hatte ich nichts zu tun, dafür war das Kuratorium zuständig. Nein, ich wusste nichts!", erklärt Fekter dem Senat. Sie habe auch nicht hinterfragt, woher der Zweitangeklagte, der im Innenressort auch für das Budget zuständig gewesen ist, das Geld hernahm. Überhaupt sei sie keine große Freundin von Spenden gewesen: "Es entsprach nicht meiner Art, mit einem Hunderter zur Blasmusik zu gehen."

Dass sie, wie die Angeklagten behaupten, konkret über jede Spende informiert worden sei, bestreitet sie. Vielleicht habe man ihr Kabinett verständigt, sie selbst habe es jedenfalls nicht erfahren.

Am Mittwoch wird das Verfahren fortgesetzt, ein Urteil soll am Donnerstag fallen. (Michael Möseneder, 30.6.2020)