Bekannt aus "Game of Thrones": Nikolaj Coster-Waldau spielt den tödlich erkrankten Versicherungsbeamten Max.

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"Ein schönes Ende" lautet das Werbeversprechen des Hotels Aurora. Der Reizüberflutung des irdischen Daseins setzt das auf selbstbestimmtes Ableben spezialisierte Luxusressort eine moderne Architektur samt stilvoller Sterilität entgegen: offene, kühle Räume, senkrecht in die Wand eingelassene Leuchtstoffröhren und gewaltige Panoramafenster mit Blick auf schroffe Felsformationen.

Der Ausblick auf die mythisch aufgeladene norwegische Natur nimmt auch den von Games of Thrones-Star Nikolaj Coster-Waldau gespielten Versicherungsangestellten Max mehrfach gefangen. Für den Mann mit dem breiten Schnauzer und der dünnrandigen Brille ist das Aurora eine vielversprechende Alternative. Denn die starken Persönlichkeitsveränderungen, die der inoperabel in seinem Schädel wuchernde Hirntumor verspricht, möchte er niemandem zumuten.

Soweit das Setting von Jonas Alexander Arnbys filmischem Unikum Suicide Tourist. Der dänische Regisseur versteht sich auf ambitionierte Mash-ups: Brachte er in seinem Debüt When Animals Dream Coming of Age, Horror und Mystery-Drama zusammen, erzählt Arnby in seinem neuen Film nach einem Drehbuch von Rasmus Birch ein Euthanasie- und Liebesdrama als kafkaesken Mystery-Thriller.

Halbgare Selbstmordversuche

Mit bedrohlicher Ruhe springt der Film zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her und bringt uns den wortkargen Versicherungsangestellten näher: seine große Liebe zu Lærke (Tuva Novotny), der Befund des Arztes, erste, halbgare Selbstmordversuche und schließlich sein Entschluss, ins Hotel zu gehen. Natürlich hat das Ressort seine Leichen im Keller, wie Max auf seinen Streifzügen herausfindet.

Mit der Vertragsunterschrift gibt es kein Zurück mehr von dem mit meditativer Ruhe vorbereiteten Sterbetag, und zwar für niemanden. Dass der selbstgewählte Freitod dann eben doch nicht so freiwillig ist, daran gemahnen uns auch die gestreiften Pyjamas der Hotelgäste: Im farbigen Häftlingslook schleichen sie ihrem Ende entgegen.

KinoCheck

Suicide Tourist überzeugt vor allem stilistisch. Arnby gelingt es, mit der geschickten Mosaikkonstruktion und Mikkel Hess’ minimalem, harmonisch-rhythmischem Piano-Score einen ambivalenten Spannungsraum aufzubauen.

Die Grenzen zwischen Wahrheit und Wahn werden immer fließender, bis der Film sich zu einem psychedelischen Trip entwickelt samt Opiumrausch, aus den Ohren kriechenden Tumoren und einem Hauch Bio-Science-Fiction.

Das ist viel, gegen Ende auch zu viel des Guten. Arnby muss sich die Kritik Style over Content gefallen lassen. Doch es hat seinen Reiz, wie in diesem filmischen Andeutungsdschungel die Unschlüssigkeit zum ästhetischen Prinzip wird.

Und es ist auf seine Art auch konsequent, angesichts des schwer fassbaren Themas einfach die Grenzen des Greifbaren auszuhebeln. (Jens Balkenborg, 1.7.2020)