Blumenteppich aus Andy Warhols "Flowers": Der wiederholte Einsatz standardisierter Motive gilt als zentrale Strategie in der Pop-Art und anderen in den 1960er-Jahren entstandenen Kunstströmungen.

Foto: Klaus Pichler / Mumok

Blume, Blume, Blume: Es ist immer wieder das gleiche florale Gewächs, das da plötzlich aus dem Boden des Museumsquartiers in Wien sprießt. In betörend knalligen Farben wachsen Andy Warhols Flowers wie ein Teppich über die Stiege bis zum Eingang des Museums moderner Kunst (Mumok) empor.

Erklimmt man diese, erkennt man, dass die Blüten zwar in ihrer Form und Anordnung ident sind, sich aber nicht nur in der Färbung, sondern auch in Kontur und Schattierung unterscheiden. So werden lila Grashalme und dottergelbe bis türkise Blütenblätter so lange wiederholt, bis sie zu einer Serie mutieren.

Gemeinsam unpassend

Diese serielle Anordnung, die als Markenzeichen Andy Warhols und stellvertretend auch der Pop-Art gilt, macht sich das Mumok mit einer dreiteiligen Ausstellungsserie zu eigen.

Eigentlich hätte die Trilogie mit Warhol-Schwerpunkt Ende April starten sollen. Nun eröffnet am Mittwoch nur Misfitting Together und teasert die krisenbedingt auf Herbst verschobenen Schauen Andy Warhol Exhibits und Defrosting the Icebox an. Im Gegensatz zu ihnen hatte Misfitting TogetherSerielle Formationen der Pop-Art, Minimal Art und Conceptual Art als Sammlungspräsentation keine Probleme bei Transport und Ausreise.

Fragmentierte Serialität: Werke der ungarischen Künstlerin Dóra Maurer.
Foto: Dóra Maurer

"Wir hoffen, das triste Leben der letzten Zeit mit unseren Blumen vor der Türe zu verschönern und viele Besucher ins Haus zu locken", sagt Mumok-Direktorin Karola Kraus. Mit dem Eröffnungstag am Mittwoch von 10 bis 21 Uhr, 200 Freikarten und Gratiseintritt ab 18 Uhr möchte das Museum nach der wochenlangen Schließung in den Kunstsommer starten.

Bandbreite: USA bis Österreich

Auf der untersten sowie der obersten Etage umklammert die Schau quasi das Haus. Im vierten Untergeschoß beginnend, nimmt sie Andy Warhol zwar als Ausgangspunkt, möchte aber über die Pop-Art hinausgehen und diese in Beziehung zu anderen Kunstströmungen setzen.

Dass Pop-Art in den 1970er-Jahren immer auch mit Werken der Minimal Art sowie der Conceptual Art präsentiert wurde, inspirierte die beiden Kuratorinnen Marianne Dobner und Naoko Kaltschmidt, die Ausstellung ebenso zu konzipieren. Jene Sammlungsschwerpunkte der Stiftung Ludwig ermöglichten eine Bandbreite, die von den USA nach Europa und bis nach Österreich reicht.

Konzeptionell: Larry Poons setzt akribisch wilde Tupfen auf roten Grund.
Foto: Bildrecht, Wien

Neben den großflächigen Leinwänden von Robert Indianas Love-Schriftzug oder Andy Warhols Orange Car Crash schlängeln sich Lüftungsschächten ähnelnde Skulpturen aus Karton der Minimalismuskünstlerin Charlotte Posenenske durch den Raum. Dazwischen finden sich konzeptuelle Textarbeiten des Österreichers Heinz Gappmayr, fragmentierte Bildgruppen von Dóra Maurer oder Regale voll nummerierter Ordner von Hanne Darboven.

Mumok-App und weiße Wände

Auch die unkonventionelle Hängung – teilweise nur 40 Zentimeter über dem Boden – erinnert an die mit den damaligen Konventionen brechenden Kunstpräsentationen. Hier kann der Bezug zum Titel hergestellt werden, der auf ein Zitat Warhols zurückgeht: "Gemeinsam unpassend" quasi.

In manchen Ecken drängen sich die Werke, andere Wände bleiben leer. Ein angenehmes Gleichgewicht entsteht: Üppige Pop-Art trifft auf reduzierte Minimal Art sowie durchdachte Konzeptkunst, bei der allerdings erklärende Informationen hilfreich sind. Direkt im Ausstellungsraum sucht man diese vergebens, eine neue Mumok-App soll Abhilfe schaffen.

Die drei zeitgleich entstandenen Strömungen beeinflussten sich trotz der unterschiedlichen Zugänge stark, so Dobner. Wie schon der Untertitel der Schau ankündigt, ist dabei die serielle Formation das Element, das sich bei allen wiederfindet.

Keine formale Spielerei: Das großformatige Bild "Modular Painting with Four Panels" von Roy Lichtenstein wiederholt das stets gleiche Motiv, ohne die Grundform zu verändern.
Foto: Estate of Roy Lichtentstein

Die Bedeutung des Vervielfältigens immer desselben Objekts oder Sujets erklärt ein Text des Kunsttheoretikers Mel Bochner von 1967. Darin schreibt er, dass Serialität keine formale Spielerei sei, sondern eine künstlerische Strategie: Methode, kein Stil.

Seine Unterscheidung zwischen modularen und seriellen Ideen wird in der Schau am besten an der Gegenüberstellung zweier Werke Roy Lichtensteins ersichtlich: In Modular Painting with Four Panels #2 wird eine Standardisierte Einheit wiederholt, ohne sich in ihrer Grundform zu ändern; die serielle Arbeit Mirror in Six Panels hingegen gehorcht einem zeitlichen Ablauf und wandelt sich ab.

Mehr weibliche Pop-Art

Mit der Ausstellung will das Mumok auch zeigen, wie sehr die männerdominierte Sammlung mit weiblichen Positionen erweitert wurde, erzählt Kraus. Vor allem Werke von Pop-Art-Künstlerinnen waren davor unterrepräsentiert. Einen der jüngsten Ankäufe bildet die Serie Firearms der 2019 verstorbenen Lutz Bacher, worin sie 58 Typen diverser Schusswaffen nebeneinanderstellt.

Diese nachdenkliche Auseinandersetzung mit dem Thema Waffen begegnet einem im vierten Stock bei Claes Oldenburg humorvoll wieder. Neben seiner Rauminstallation Mouse Museum, in dem Kunst- neben Alltagsobjekten ausgestellt werden, zeigt der ebenfalls begehbare Ray Gun Wing in Form einer Waffeverschiedenste andere Formen von Pistolen.

Abschließende Kunstvermittlungsstationen mit spielerischen Computerprogrammen und Overhead-Projektoren geben einen Ausblick, wie divers serielle Formate gedacht werden können.

Gespannt erwartet man die Fortsetzung im Herbst. (Katharina Rustler, 1.7.2020)