Fad wird den Rachingers vom Zauberhotel Mühltalhof nicht, den Gästen detto. Jetzt machen sie da auch einen Braugasthof. Aber wie!

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das kann’s ja nicht sein, dachte sich Philip Rachinger vom Mühltalhof in Neufelden: dass nämlich die örtliche Biobrauerei fantastisches Bier macht – aber keinen Ausschank mehr hat, wo diese Herrlichkeiten entsprechend unmittelbar in einen hineinrännen.

Noch dazu, wo es auf dem Betriebsgelände eh ein Wirtshaus gibt, sogar mit wunderschön saftiger, von Kastanien beschatteter (und nur leicht abschüssiger) Wiese, auf der sich ohne weiteres ein paar Biertische und -bänke aufstellen ließen, auf dass alle glücklich seien.

Genau so war es dann auch. Der Brauereibesitzer fand die Vorstellung unwiderstehlich, dass einer der heißesten Köche des Landes ihm die Wirtschaft betreiben will. Rachingers Sous-Chef Stephan Mandl fand die Vorstellung verlockend, wochenends für Stelzen und anderes Bier-Food (etwa die besten Sushi-Rolls diesseits des Mochi) verantwortlich zu sein, statt das tollste High-End-Menü jenseits von Mraz & Sohn aus der Mühltalhof-Küche zu schießen.

Nicht nur ein Anstandsbier

Und sogar Berufsschulspezi Benjamin Hartl, der schon 2017 die Gelinaz-Sause mit René Redzepi, David Chang und Alt-Schwede Magnus Nilsson im Mühltalhof mit ins Schwingen gebracht hatte, fand es eine gute Idee, für Philip den Restaurantleiter zu machen.

Ein paar sehr enigmatische T-Shirts für den Service waren schnell gedruckt. (Tipp: nicht fragen, was der Aufdruck "WBFZAR" bedeutet, sonst teuer!). Das Wichtigste, Bier, war schon da. Nur im neuen Hopfen & Schmalz lassen sich etwa das hopfengestopfte Zwickl (Halleluja!) oder das Weißbier (Oh, Gott!) vom Fass unpasteurisiert, ungefiltert und überhaupt im offenen Gärbottich nach alter Fasson vergoren, verkosten.

Allein dafür ist es wert, den Weg nach Neufelden zu gehen. Wer wegen des Mühltalhofs – ist halt das tollste Hotel zwischen Wien und Lech – gekommen ist, kann das sogar zu Fuß tun. Fahren sollte man danach eher nicht, es ist nämlich technisch unmöglich, es bei nur einem Anstandsbier zu belassen.

Wer entsprechend Unterlage aufbaut, darf das Bier natürlich auch kosten.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wobei: Wer entsprechend Unterlage aufbaut, darf eh. Und das geht hier wirklich gut. Auf den unsozialen Medien werden vor allem Stelze und Sushi-Rolls gepusht, als halbwegs professioneller Esser aber muss man sich durchs Angebot kosten, noch dazu, wo hier erwartungsgemäß auf Vegetarier und Veganer nicht vergessen wurde.

Türkisch-Knacker

Kichererbsen mit Hopfenspargel, Feta, Minze, grüner Melone und Raz-el-Hanout sind ein Beispiel, wie hochgradig animierend Essen ohne Fleisch sein kann. Paradeisersalat mit gegrillter Ananas, Maracuja und Thai-Basilikum zeigt, wie gut vegan ist, wenn man ein bisserl kochen kann. Schwammerlgulasch, Gnocci (sic!) und anderes Warmes gibt es auch, dafür war es aber zu warm.

Maurerforelle vulgo Speckknacker, mit marinierten Schalotten, Petersil, Zitrone und Sumach (ergo "türkisch" auf der Karte) ist dafür sehr hitzefähig: eine Handwurscht der Extraklasse, wie gemacht, um bei 30 Grad weitergebracht zu werden. Und erst die Stelze: knusprig und willig splitternd wie mundgeblasenes Glas, innen saftig und von einem Wohlgeschmack erfüllt, der selbst nach einem Parforceritt durch die Karte immer noch ein Stück bedingt.

So ging es auch David Chang, dem größten Koch der USA, als er nach getaner Gelinaz-Arbeit von jenem Grillferkel kosten durfte, das derselbe Fleischer wie die Stelze in der Sur hatte. Chang jedenfalls meinte auf Instagram, dass die Knuspersau so ziemlich das Beste sei, was er je gegessen habe. Das lässt sich nach Verzwickung der Stelze nicht anfechten. Nur extra Kren sollte man gleich dazu bestellen. (Severin Corti, RONDO, 3.7.2020)

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